Ich freue mich sehr auf diesen Trip. Raus aus dem Schnee und der Kälte in St. Moritz, rein ins Abenteuer. Für unser Projekt haben wir insgesamt Mittwoch bis Sonntag Zeit. Die Distanz ist mit 38 Kilometern und 3300 Höhenmetern recht überschaubar und wir beschließen, alles an einem Tag zu machen. Aber als gemütliche Tageswanderung und nicht als Speed-Run. Man kann ja nicht immer alles auf Leistung und Schnelligkeit machen. Außerdem ist Sizilien ja nur ein Katzensprung entfernt, so dass wir ja zu einer anderen Zeit das Ganze nochmals auf Geschwindigkeit machen können. Es geht auch einfach mal so. Mit sizilianischer Gemütlichkeit auf der einen Seite, aber genug Temperament und Mut auf der anderen Seite. Es ist einfach auch mal schön, etwas Zeit zu haben und nicht alles im „Hau-Ruck-Modus“ machen zu müssen. Für dieses Projekt hatte ich auch ganz alleine die Verantwortung. Weder Beppe noch Alessio standen mit Karte, Wegweisern und Ideen zur Seite. Dementsprechend rudimentär und einfach war auch alles. Ich bin ja eher der Typ „Es kommt schon alles gut“ und „wir finden schon den richtigen Weg“. Und somit geht das Abenteuer auch schon los.
Anstelle eines Fiat Pandas bekommen wir bei der Autovermietung am Flughafen in Catania einen Opel Crossland mit Geländefunktion. Ich bin ein wenig enttäuscht, da ich mich auf dieses kleine und äußerst wendige italienische Auto schon gefreut hatte. Zwei Tage später sollten wir wissen, warum wir genau dieses Auto erhalten haben. Dazu aber später mehr. Wir fahren nach Catania und schauen uns die schöne, alte Stadt an. Weiter geht’s an der Küste entlang mit Blick auf das Mittelmeer. Hier und da halten wir an und geniessen es einfach, etwas Neues zu erkunden. In Fiumefreddo, etwas 40km nördlich von Catania, soll für die nächsten vier Tage unser Basecamp sein. Es ist ein schönes Agriturismo inmitten von Zitronen,- und Orangenbäumen mit Fernsicht auf den Ätna und Nahsicht auf das Meer. Abends treffen wir Michael und seine Paraglidinggruppe zum Essen. Es gibt feine Antipasti mit Schinken, Salami, Oliven, Gemüse. Im zweiten Gang gegrilltes Fleisch und im dritten Gang nochmals gegrilltes Fleisch. Oder war das schon der vierte Gang? Es schmeckt auf alle Fälle sehr gut und mit einem guten Rotwein läuft alles noch viel besser. Im Restaurant geht die Party ab und jedes Mal, wenn der Chef ein großes Stück Fleisch an die Tische serviert, wird das Licht ausgeschaltet und laute Diskomusik dröhnt aus den Boxen. Um dem Spektakel noch die Krone aufzusetzen, wird das Fleisch noch flambiert. So stelle ich mir Sizilien vor. Ein volles Fass Temperament bis zum Überlaufen! So kann es bitte weitergehen.
Es geht weiter. Den nächsten Tag nutzen wir, um uns mit der Strecke ein wenig vertraut zu machen. Ich navigiere uns mit google-maps durch die engen Straßen und Gassen, was sich als ziemliche Herausforderung darstellt. Sizilien ist eben nicht St. Moritz, wo es nur eine große Straße gibt! Irgendwie und irgendwann finden wir unseren Startort für den heutigen Tag und laufen los in Richtung Ätna. Unterwegs fallen uns noch einige Dinge ei, die wir für unseren Run am nächsten Tag brauchen. Wir überlegen, wo wir Wasser deponieren können, schauen uns die Nordseite etwas skeptisch an, da doch noch recht viel Schnee liegt. Irgendetwas lässt mich aber nicht davon abbringen, über diese Seite nach oben zu steigen, ich weiß auch nicht, was es ist. Vielleicht meine Bauchstimme? Nach ca. 17 Kilometern und 1400 Höhenmetern beschließen wir wieder umzudrehen. Wir überzeugen eine holländische Familie im Fiat Panda uns bis in eines der nächsten Dörfer mitzunehmen. Als wir erzählen, was wir vorhaben, ist das Staunen groß. Ist es wirklich so speziell was wir machen?! In Zaffarana werden wir wieder rausgelassen und laufen die letzten 6 Kilometer bis zum Auto durch die kleinen Dörfer runter. Alles recht langsam, da wir unsere Oberschenkel schonen wollen. Denn weder Maggy noch ich bin im Moment super gut trainiert. Und das bergablaufen muss ja erst mal wieder geübt werden. Wir laufen an Zitronenbäumen und bunten Blumenbüschen vorbei. Wir sind zuversichtlich, dass der morgige Tag ein tolles Erlebnis wird.
Kaum im Hotel angekommen, bekommen wir von Michael eine Nachricht mit den Koordinaten für den Treffpunkt zum Abendessen (so laufen "Dates" heutzutage wohl ab). Ein schönes Restaurant oberhalb von Taormina soll es sein... Wir fahren los und das google-maps leitet uns den Weg. Ich vertraue dem Gerät blind und vergewissere mich nicht, wo es uns hinführt. Ich habe ja auch keine Ahnung, was uns erwartet. Wir lassen uns führen, vertrauen und erfahren dann, warum wir bei der Autovermietung dieses spezielle „Cross-Auto“ bekommen haben. Der Weg führt uns in eine immer enger werdende Straße,. Die Kurven ähneln schon beim ersten Turn eher einem 90 Grad Winkel und rechts und links ist wirklich kein Platz für ein weiteres Fahrzeug. Nicht mal für ein Telefonbuch. Nach zwei, drei weiteren Kurven überlegen wir kurz, ob wir umdrehen sollen. Aber dieses Manöver erscheint uns als noch schwieriger, als ins Ungewissen weiterzufahren. Der Weg wird immer haltloser, es ist stockfinster und die Schlaglöcher ähneln eher Minikratern. Was machen wir hier bloß? Maggy steuert das Auto, sie ist ganz ruhig, ich versuche mit dem Navi die Strecke vorauszusagen und sie so gut es geht zu unterstützen. Ich denke immer nur, dass es nach der nächsten Kurve bestimmt besser wird. Aber es wird eher immer schlechter. Mittlerweile sind wir mitten am Berg, ein Umdrehen ist ausgeschlossen. Die Straße hat sich zu einer Sandpiste mit Löchern verwandelt und irgendwann steht dort ein Schild mit einem Mountainbike drauf. Aha. Wir sind also auf einer Mountainbike- Off-Piste gelandet. Wie wohl Michael hier mit dem Bus und den Gästen raufgekommen ist, frage ich mich noch. Aber dann sehe ich auf der elektronischen Karte einen weiteren Weg, der eben von der anderen Seite hochführt. Was zur Hölle machen wir hier?! Maggy schlängelt das Auto mit einer wahnsinnigen Geduld über die und um die Löcher rum. Ich möchte nicht wissen, was in ihr vorgeht. Ich spüre auf alle Fälle, dass mein Körper nur noch aus Adrenalin besteht. Wie durch ein Wunder erreichen wir dann mit 50 Minuten Verspätung das Restaurant und kriegen vor lauter Erschöpfung einen gewaltigen Lachanfall. Nach ein paar Gläsern Rotwein und einem exzellenten Essen beruhigen sich unsere Gemüter allmählich. Als wir wieder im Hotel sind, haben wir bis zum Start unseres „Bottom Up Climbs Ätna“ noch 5 Stunden Schlaf. Ob das reichen wird?
Am Freitag starten wir gegen 5 Uhr 30 mit dem Auto in Richtung Riposto und parken es direkt am Meer. Um 6 Uhr 10 geht es dann los. Wir lassen uns mit google-maps navigieren und rennen durch die noch schlafende Stadt über alten Asphalt immer in Richtung Vulkan. Nach den ersten 4 Kilometern schaue ich aufs Handy und stelle fest, dass uns „Dr. Drive“ auf einer anderen, neuen Route raufschickt. Wir diskutieren, halten an, laufen weiter, halten wieder an und sind beide ziemlich genervt. Ich hätte mich einfach nochmals vergewissern müssen. Aber das bin ich eben. Immer nach dem Motto der Improvisation. Wir entschließen uns, der neuen Strecke zu folgen und hoffen, dass wir wenigstens an der Abzweigung vorbeikommen, an der wir das Wasser deponiert haben. Der erste Gedanke am Vortag war übrigens, dass wir das Wasser an der Kreuzung verstecken wollten. Im Nachhinein haben wir es dann aber doch an einer anderen Stelle deponiert, weil wir dort einen Abkürzung durch den Wald nehmen konnten. Es zeigt sich einmal mehr, dass der erste Gedanke eine absolute Wichtigkeit hat! Wir laufen also weiter durch die neuen Dörfer und über die neuen Straßen und verlassen uns voll uns ganz auf google, welches uns dann auch prompt in ein Waldstück schickt, obwohl auch eine andere Straße im Zickzack weiterführt. Der Pfad endet dann auf einer Eselfarm. Wie weiter? Wir erkennen eine Straße hinter der Eselfarm und beschließen, über die Eselfarm zu gehen. Dass es dort vielleicht große Wachhunde geben könnte, spreche ich zwar noch aus, aber unsere Aktion sieht anders aus: wir klettern über den Zaun und haben ca. 200 Meter zu bewältigen. Ein kleiner Jack Russell kommt bellend angelaufen. Ach, denke ich, mit dem werde ich auch noch fertig. Doch der Jack Russell war wohl nur die Alarmanlage für die Fleischmasse, die sich von weiter oben in Bewegung gesetzt hatte. Zum Glück haben wir uns beide mit Zaunpflöcken bewaffnet, welchen ich, als ich den Hund sehe, im hohen Bogen wegwerfe und schreienderweise in Richtung Zaun sprinte. Maggy schreit nur hinter mir her, dass ich stehen bleiben soll, was ich kurzzeitig auch mache, während sie den Hund mit ihren Zaunpflock in Schach hält. Dann renne ich wieder los, Maggy hinter mir her und irgendwie schaffen wir es rechtzeitig, über den Zaun zu springen. Das Vieh von Raffzahn steht mit fletschenden Zähnen vor dem Zaun und ich breche vor Schock fast zusammen. Eine ganze Weile sagen wir gar nichts mehr und laufen stumm auf der asphaltierten Straße weiter. Wir beschließen, fortan auf dem Weg zu bleiben.
Wir haben beide nicht den besten Tag erwischt. Vielleicht war der Trip vom Vortag oder unser ungewollter Moto-Cross auf dem Mountainbikeweg etwas zu viel gewesen. Über die asphaltierte Straße schrauben wir uns höher und kommen dann endlich bei der Skiliftstation an. Vorher haben wir aber noch einen kleinen Umweg in Kauf nehmen müssen, um an das deponierte Wasser zu gelangen..
Von dort geht es über Lavaschotter endlich mal etwas off-piste weiter. Der Schnee hält sich hartnäckig, aber wir finden den Weg doch erstaunlicherweise recht gut. Nach einer Weile treffen wir dann andere Wanderer, die wohl die gleiche Idee haben. Da wir doch ein schnelleres Tempo haben, bin ich es bald, die den Weg in den Schnee legt. Ganz nach dem Motto: Diritssima senkrecht nach oben dorthin wo es qualmt. Auf einer Höhe von ca. 3100 Meter wird es auf einmal akut sehr kalt und wir ziehen alles an, was wir in unseren kleinen Laufrucksäcken finden können. Noch schnell ein Bissen in den Oatking-Haferriegel und weiter geht’s in Richtung qualmender Krater. Das letzte Stück ist aufgrund der Wärme, die aus dem Boden kommt, sehr schlammig und rutschig und es bedarf einiges an Kraft und Koordination, nicht auszurutschen. Mein Entdeckerdurst ist unbändig und ich möchte zu gerne in den Krater schauen und auf brodelnde Lava blicken. Meine Phantasie kennt wieder keine Grenzen, aber es ist einfach dieses Wollen, dieses Ausprobieren, dieses Neue, was mich immer wieder antreibt. Wir kommen schließlich ganz oben an und ich bin wie elektrisiert. Der Schwefeldampf hält sich erstaunlicherweise in Grenzen. Da bin ich vom Mount Damavand im Iran doch anderes gewöhnt! Trotzdem müssen wir zweimal unser Gesicht in den Tiefen unserer Jacken vergraben, weil der Gestank und die Gase unerträglich sind. Zum Glück trägt der starke Wind alle weiteren Gaswolken irgendwie über uns hinweg, so dass wir oben ein paar Momente den Anblick des Krater erleben können. Ich traue mich aber nicht bis an den Rand, da ich mit der Hölle und dem Teufel doch noch keine Bekanntschaft machen möchte. Die Kälte und der Wind legen nicht nur die Akkus der Handys lahm, sondern auch unsere Finger und Hände. Wir machen uns zügig auf den Rückweg und wählen dazu den Südweg. Kaum sind wir auf der Hauptroute angekommen, werden wir von Touristenströmen eingesogen. Menschenmassen bewegen sich aus allen Richtung entweder auf einen der kleineren Krater zu oder laufen bereits wie die Ameisen runter. Irgendwie haben wir dann doch alles richtig gemacht und meine Überlegung, über die Nordseite zu gehen, war doch richtig. Wir passen uns den Touristen an und nehmen die Seilbahn als Abstiegshilfe. Und in dieser Gondel sitzt auch ein junges Paar aus Frankreich, das uns dann im Auto bis nach Riposto zum Ausgangsort mitnimmt.
Von dort geht es über Lavaschotter endlich mal etwas off-piste weiter. Der Schnee hält sich hartnäckig, aber wir finden den Weg doch erstaunlicherweise recht gut. Nach einer Weile treffen wir dann andere Wanderer, die wohl die gleiche Idee haben. Da wir doch ein schnelleres Tempo haben, bin ich es bald, die den Weg in den Schnee legt. Ganz nach dem Motto: Diritssima senkrecht nach oben dorthin wo es qualmt. Auf einer Höhe von ca. 3100 Meter wird es auf einmal akut sehr kalt und wir ziehen alles an, was wir in unseren kleinen Laufrucksäcken finden können. Noch schnell ein Bissen in den Oatking-Haferriegel und weiter geht’s in Richtung qualmender Krater. Das letzte Stück ist aufgrund der Wärme, die aus dem Boden kommt, sehr schlammig und rutschig und es bedarf einiges an Kraft und Koordination, nicht auszurutschen. Mein Entdeckerdurst ist unbändig und ich möchte zu gerne in den Krater schauen und auf brodelnde Lava blicken. Meine Phantasie kennt wieder keine Grenzen, aber es ist einfach dieses Wollen, dieses Ausprobieren, dieses Neue, was mich immer wieder antreibt. Wir kommen schließlich ganz oben an und ich bin wie elektrisiert. Der Schwefeldampf hält sich erstaunlicherweise in Grenzen. Da bin ich vom Mount Damavand im Iran doch anderes gewöhnt! Trotzdem müssen wir zweimal unser Gesicht in den Tiefen unserer Jacken vergraben, weil der Gestank und die Gase unerträglich sind. Zum Glück trägt der starke Wind alle weiteren Gaswolken irgendwie über uns hinweg, so dass wir oben ein paar Momente den Anblick des Krater erleben können. Ich traue mich aber nicht bis an den Rand, da ich mit der Hölle und dem Teufel doch noch keine Bekanntschaft machen möchte. Die Kälte und der Wind legen nicht nur die Akkus der Handys lahm, sondern auch unsere Finger und Hände. Wir machen uns zügig auf den Rückweg und wählen dazu den Südweg. Kaum sind wir auf der Hauptroute angekommen, werden wir von Touristenströmen eingesogen. Menschenmassen bewegen sich aus allen Richtung entweder auf einen der kleineren Krater zu oder laufen bereits wie die Ameisen runter. Irgendwie haben wir dann doch alles richtig gemacht und meine Überlegung, über die Nordseite zu gehen, war doch richtig. Wir passen uns den Touristen an und nehmen die Seilbahn als Abstiegshilfe. Und in dieser Gondel sitzt auch ein junges Paar aus Frankreich, das uns dann im Auto bis nach Riposto zum Ausgangsort mitnimmt.
Am nächsten Tag lassen wir es gemütlich angehen und fahren mit Michaels Paragliding-Gruppe über die Insel. Maggy und ich dürfen an dem Tag mit Marco noch einen Tandemsprung machen. Es ist eine wahnsinnige Aussicht und ein solch intensives Erlebnis, dass ich kurzzeitig richtig Spaß am Fliegen finde. Bis zu Akrobatikmanöver, bei dem Marco eine Steilwandkurve fliegt und ich ihn nur noch anbrülle, er solle sofort damit aufhören!
Es hat alles gepasst. Es war das Glück an der richtigen Stelle. Der Ätna kann jederzeit ausbrechen. Aber nicht an dem Tag, an dem wir oben waren. War es Zufall, Glück, Vorbestimmung. Wir sind dankbar, dass alles so gut geklappt hat. Vielleicht war es auch die Art und Weise, wie wir das Projekt gestaltet haben: slow, easy und einfach machen. Wenn man sich in Bewegung setzt, kann so vieles passieren. Man kann Dinge im Vorfeld kalkulieren, doch im wahren Feld ist es dann oftmals ganz anders. Man muss den Mut haben, etwas ausprobieren zu wollen. Dann rollt es. Man muss die Zeichen richtig zu deuten wissen und im richtigen Moment umkehren. Die selbsterfüllende Prophezeiung hat ihre Berechtigung. Deswegen ist Vorsicht bei allzu tollkühnen Vorstellungen oder Erwartungen geboten. Genauso wie ich alles unbeschadet überstehe und mir dann bei Ankunft in meiner Bergdörfli-Wohnung am Abend den 4. Zeh an der Badewannenkante breche.
Sizilien ist eine tolle Insel mit einer wunderschönen Natur, temperamentvollen und offenen Menschen und einer ausgezeichneten Küche. Ich komme wieder, keine Frage.