Montag, 23. September 2013

Eine typische untypische Trainingswoche

Das Training für das Manaslu Race in Nepal hat definitiv einen anderen Schwerpunkt als das Wüstentraining. Es geht immer nur um Höhenmeter und die möglichst schnell zu bewältigen. Dann ist es auch egal, wie das Wetter ist. Am Montag hatte es mich mit voller Breitseite erwischt. Auf dem Weg ins Val Roseg war noch alles schön und die Sonne zeigte sich sogar ein paar Mal. Je weiter ich ins Tal kam, desto dunkler wurden die Wolken und als ich mich auf dem ersten Anstieg in Richtung Coaz-Hütte befand, brach es dann ein: Schnee, Sturm und Nebel. Und wenn dann der Grip der Turnschuhe abgelaufen ist, sind Stürze vorprogrammiert. Auf der Fuorcla Surlej hat es mich dann fast weggeweht. Mental war ich am Ende und fluchte nur noch vor mich hin, da jeder zweite Tritt ein Fehltritt war. Ich zweifelte, ob ich das Laufen über Nacht verlernt hatte?! Nach 35km und 1400m D+ war ich wieder in der warmen Stube und fragte mich einfach nur, was das denn für eine Einheit gewesen ist...
Es ging weiter am Dienstag mit einem fiesen HIT (High Intensity Training): 20x für eine Minute bergauf sprinten. Mental stellte ich mich gut ein und pushte mich, einfach mal alles zu geben in jedem einzelnen Sprint. Ich achtete sehr auf die Lauftechnik und setzte vor allem mal die grossen Muskelgruppen richtig ein (Gesäß) - was mir zu einem enormen Antrieb verhalf. Solche Sprints sind hart und lassen einen zweifeln- aber sie bringen auch wahnsinnig viel!
Mittwoch durfte ich die Laufkleider im Schrank lassen und wurde zur Diva gestylt. Xaver Walser, der meinen Film produziert, wollte einfach mal ein paar andere Bilder von mir haben. Zudem stylte mich das Team von "Figaro" (http://www.figaro-stmoritz.ch/) aus St. Moritz: Corina als Make-Up-Stylistin mit knallrotem Lippenstift und Silvia mit Lockenwicklern und gefühlten 3 Dosen Haarspray... das Ergebnis kann sich bald schon sehen lassen...
Donnerstag ging es für 20km rund um die Seenlandschaft, allerdings mit einigen unfreiwilligen Stopps, da ich ein neues Magnesiumpulver ausprobierte und dies mal direkt wieder zurückgeben kann.
Die Freitagseinheit gestaltete ich auf einem neuen Weg (welcher Weg) zum Lej Alv über Marguns und dann eben Querfeldein über die Wiesen und durch Rinnen bergauf zum See. Dort oben drehte ich eine 10km-Runde (16 Runden)... es ist immer wieder erstaunlich, wie arg ich mich vor so einer Einheit motivieren muss, bzw. mit mir hadere, ob ich nicht vielleicht doch lieber nur 5km laufen soll, oder vielleicht doch lieber nur Sprints usw.- und dann renne ich plötzlich los und bin im "Autopilotmodus" und die Runden fliegen nur so an mir vorbei.
Am Abend gönnte ich mir eine Massage, so dass die Muskeln schön gelockert wurden.
Samstag war dann das beste Bergwetter und ich schmiedete in Gedanken Pläne, welche Berge ich bezwingen wollte. Doch dann kam alles anders: ein geschwollener Lymphknoten am Hals und Halsschmerzen kreuzten meine Pläne. Und somit verbrachte ich den Tag mit Ruhe und Büchern und einfach mal am See sitzen... und freute mich auf Sonntag, denn da war alles schon wieder besser, so dass ich zum Klettern in den "Affenhimmel" nach Zams (Österreich) gefahren bin. Dort kraxelte ich einige schöne Routen und musste wiedereinmal feststellen, dass der Kopf die entscheidende Zentrale ist. Gute Gedanken= frei klettern und sorgenfrei sein/ schlechte Gedanken= zittern, verkrampft und blockiert.
Deswegen einfach mal den Kopf lüften, alle negativen Gedanken abschütteln, einen Kaiserschmarrn essen gehen und dann mit vollem Bauch den Berg runterlaufen...
Mein Musiktipp: Old but still fanstastic! Pearl Jam "The Fixer"
http://www.youtube.com/watch?v=Kj-sFIHQWLY







Sonntag, 15. September 2013

Die Hassliebe Fextal

Es gibt ja in meinem Repertoire an Trainingsstrecken Routen, die sich einfach immer gut laufen lassen und andere, die sich mit der Zeit zur Hassliebe entwickelt haben. Eine dieser Strecken ist die Tour ins Val Fex mit einer Länge von 35 Kilometern, wenn man die Extrarunde um den St. Moritzer See ausklammert. In der Vorbereitung auf meine Wüstenläufe stand diese Strecke jede Woche auf dem Plan, weil sie im Winter wie Sommer gut zu laufen ist. Durch die häufige Frequentierung kenne ich natürlich jede Steigung, jeden Abzweiger und jeden, der in diesem Tal wohnt. Manchmal ist es ja so, dass eine bekannte Strecke aufgrund genau der gerade beschriebenen Thematik sehr gut zu laufen sein kann, weil alle Unbekannten ausgeschaltet sind. Mitunter kann das aber auch genau der mentale Knackpunkt sein, da das Hirn ja oftmals nicht im Hier und Jetzt arbeitet, sondern der Zunkunft mit Siebenmeilenstiefeln entgegenläuft. Und das geschieht eben häufig auf bekannten Strecken. Jetzt kann daraus ein negativer Gedankenstrudel entstehen, indem das Hirn die ganze Zeit denkt: "Oh nein, jetzt bin ich erst an der Talstation der Seilbahn.... / achherrjee, gleich kommt die fiese Steigung..../ wäre ich doch nur schon mal am Hotel Sonne vorbei... usw. usw.. Wer kennt das nicht! Diese Gedanken kosten extrem viel Hirnenergie und sind völlig unnütz. .  Aber: wenn man nicht aufpasst, dann sprinten diese Gedankenathleten an einem vorbei wie Usain Bolt auf der 100 Meter Bahn. Wie Ueli Steck auch schon sagte: "Vorauseilende Gedanken sind verschwendete Gedanken".
Die schlichte Lösung zu diesem Problem heißt: Im Hier und Jetzt zu bleiben. Ich weiß, das ist jetzt nichts Neues! Aber: dieses "Hier und Jetzt" ist gar nicht so einfach und es kostet auch enorme Kraft, die Gedanken in ihrem Vorwärtstrend anzuhalten. Ich habe mittlerweile einen Trick einstudiert, der immer funktioniert. Und den verrate ich hier gerne: Ich stelle mir vor, ich komme vom Planeten Mars auf die Erde und sehe alles zum allerersten Mal. Ich sehe Wiesen, Bäume, Pferde, Häuser, Straßen, Autos, Menschen, Blumen einfach wirklich mit den Augen eines Außerirdischen und stelle mir dazu lustige Fragen, was all diese interessanten Gegenstände für Funktionen haben. Und während mein Hirn sich damit beschäftigt, rennen die Beine von ganz alleine an allen bekannten Abzweigungen und ungeliebten Steigungen vorbei und hinauf, als ob sie zum ersten Mal an diesem Ort unterwegs sind. Zudem ist auch die Zeit auf der Seite der "Außerirdischen Gedanken"- sie vergeht wie im Fluge.
Ihr glaubt mir nicht? Dann probiert es gleich morgen einfach mal selber aus... Viel Spaß!
Mit diesem kleinen Hilfsmittel konnte ich meine Trainingswoche sehr positiv gestalten. Am Montag 30km ins Val Roseg, am Dienstag dann schöne, fiese Bergintervalle: 20x für eine Minute eine Strecke zum Hahnensee gesprintet, und zwar so schnell, dass selbst die Eichhörnchen geflüchtet sind. Am Mittwoch ging es dann ins Val Fex für 35km und am Donnerstag mit leicht müden Beinen auf die Via Engiadina mit 21km. Von Freitag bis Sonntag war ich dann als Botschafterin für die Stiftung in Deutschland an zwei Anlassen unterwegs. Dies ist immer wieder eine große Ehre für mich! Am Freitagabend konnte ich einem Kreis von geladenen Gästen über meine Abenteuer berichten und am Samstagabend ging es bei der Hilfsorganisation "OWL zeigt Herz" auf einer Kostümparty (Wilder Westen) zünftig weiter. http://www.owlzeigtherzev.de/
Mein Musiktipp: Camo & Krooked "Move around"
http://www.youtube.com/watch?v=g2vm79u5E1I



Sonntag, 8. September 2013

Höhenmeter fressen für Nepal

Die Zeit rennt schneller als mir lieb ist. Obwohl ich schnell bin, ist die Zeit doch oftmals schneller als ich. Doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass Qualität besser ist als Quantität. Somit plane ich meine Trainings bewusster und bin in der Einheit konzentrierter. Und die Zeit bis zum nächsten Wettkampf ist nicht mehr lang. Am 9. November startet das Manaslu Trail Race in Nepal im Himalaya und ich will auf die Höhe gut vorbereitet sein. Deswegen trainiere ich im Moment auch keine langen Strecken mehr mit mehr als 40 Kilometer, sondern "fresse" die Kilometer vertikal. Das ist nicht nur für die Beine anstrengend, sondern auch für den Kopf. Wenn ich unter einer massiven Felswand stehe oder mir das Geröllfeld hämisch entgegen lacht, muss ich mir schon einige Strategien zurecht legen, um nicht gleich zu kapitulieren. Einen steilen Berg rauf zu joggen ist übrigens nur etwas fürs Ego. Wenn ich im Speedhiking-Tempo den Berg erklimme, bin ich genauso schnell, als wenn ich jogge. Und bin weniger außer Atem.
Um mich auf den Wettkampf, der in sechs Etappen aufgeteilt ist, vorzubereiten, plane ich meistens 2-3 anstrengende Einheiten hintereinander. Am Dienstag bin ich 30 Kilometer ins Val Roseg gejoggt und war ziemlich schnell unterwegs. Durch eine klassische Flammersfeldschen Roller bin ich kurz aus dem Rhythmus gekommen und musste meinen Ellbogen und das blutige Knie versorgen. Diese Stürze passieren übrigens meistens dann, wenn ich andere Spaziergänger grüße. So auch in diesem Fall: Ich renne, grüße, bleibe am Stein (oder nein, es war ein kleiner Kiesel...) hängen und rolle mich ab. Der Kommentar vom Spaziergänger: "Ja, ja, ich weiß, über welchen Stein Sie gestolpert sind: dieser hier war es!", und zeigt auf den kleinen Kiesel. Ich dachte, ich höre nicht richtig! Da wurde mich mir nicht auf die Beine geholfen, oder gefragt, ob alles ok sei! Ab sofort werde ich keinen einzigen Spaziergänger mehr grüßen...
Am Mittwoch ging es dann weiter: Zuerst auf den Piz Mezdi und dann auf den Ova Cotschna. 15km, 1500hm D+. Eine tolle Route! Am Freitag 20km über die Via Engiadina und dann am Samstag auf eine neue Route: Vom Parkplatz der Diavolezza ins Val da Fain bis zur Alp La Stretta. Von dort sehr steil über Grashänge bis zur Fuorcla Chamuera auf 2795- zumindest dachte ich, dass ich dort bin! Da die Wegmarkierung kurz vor der Fuorcla aufhörte, war ich mir nicht sicher, ob ich an der richtigen Querung des Passes bin. Ein sehr steiles Geröllfeld lag vor mir und weit und breit kein Anzeichen eines Weges oder eines Pfads! Was sollte ich tun, außer die Direttissima zu wählen?! Gut, dass ich letzte Woche am Corvatsch geübt hatte! Mit einigen Stürzen und umgeknickten Knöcheln (zum Glück sind meine Bänder so lahm gespannt, dass da nichts mehr reißen kann...) entdeckte ich dann urplötzlich wieder einen markierten Stein! Dem ausgeschilderten Weg folgend lief ich durch ein ausgetrocknetes Flussbett, welches mich stark an die Wüste Gobi erinnerte... Um auf die nächste Fuorcla zu kommen, wählte ich wieder einen anderen Weg, als angezeichnet. Dieses Mal aber mit Absicht, um ein wenig abzukürzen. Doch auch als ich wieder auf dem markierten Weg war, hörte dieser wieder plötzlich auf und ich war allein auf einem riesengroßen steilen Fußballfeld! Ich folgte einfach mal meinem Orientierungssinn und nach weiteren 800 Höhenmetern erreichte ich dann endlich Italien! Und dann ging das ganze Spiel wieder bergab. Allerdings mit Wegmarkierung, die man sogar im Sturm und Schnee hätte sehen können. Endlich in Livigno angekommen musste ich auch schon gleich in den letzten Bus springen, der mich wieder zurück zur Diavolezza brachte...  knapp 28km und 1700 D+. Alles in allem eine schöne Tour!
Am Sonntag habe ich die Phase der Regeneration genutzt und habe 1,8kg Himbeeren im Wald gesammelt. Ich bin auf glitschigen Wurzeln ausgerutsch, wurde von Sträuchern geschlagen und mit Brennesseln verbrannt. Aber die Beute hat sich gelohnt!
Mein Musiktipp: Soft Plastic "Haliopeux"
http://www.youtube.com/watch?v=EVI8FhN2r0w



Sonntag, 1. September 2013

Von Geröllfeldern und 24 Stunden Wanderungen

In den letzten 2 Wochen musste mein Trainingsplan etwas pausieren, da wieder mal zwei "24 Stunden Wanderungen" auf dem Programm standen. Die erste Tour hat am 24. August stattgefunden und trägt den Titel "Regen, alle lieben Regen". Wir hatten aber doch Glück im Unglück, da sich die Sonne wider Erwarten 12 Stunden zeigte. Morgens Früh um 07:00 Uhr schlug für 12 Wandersfreunde die Stunde der Wahrheit. Sollten sie es schaffen, einen Tag und eine Nacht zu wandern? Wir erwanderten uns die ersten Stunden im Val di Camp bei Poschiavo und gingen zügigen Tempos weiter bis auf den Bernina Pass. Und dort traf uns dann die Kaltfront mit allen Waffen: Regen, Sturm und im weiteren Verlauf Starkregen. Somit konnte die Kleidung endlich mal auf Wasserdichtheit getestet werden. Auf dem Weg zum Morteratsch und weiter bis nach Pontresina war jeder mit sich selbst beschäftigt. Auch ich hatte einiges mit meiner Ausrüstung zu kämpfen, da ich viel ausprobierte. Jetzt weiss ich, dass mir kalte und nasse Füsse nichts ausmachen, aber nasse und kalte Hände meine Laune auf den Gefrierpunkt bringt. Die Regenfront bescherte uns im Morgengrauen auch noch Schneeregen und wir sahen zu, dass wir auf direktem Weg nach Silvaplana kamen. 75km, 2500hm Aufstieg.
Am letzten Donnerstag realisierte ich dann mal wieder ein Projekt, welches ich seit mehreren Jahren in Angriff nehmen wollte. Im Skigebiet Corvatsch gibt es an der North Face einen Geröllhaufen, der von weitem aussieht wie eine Hand mit ausgestreckten Fingern. Immer wenn ich im Winter im Lift sitze, suche ich die "Best Line", um im Sommer dann endlich dort hinauf zu kraxeln.
Mein Weg führte mich also über den Hahnensee bis zur Mittelstation. Dort hätte ich am liebsten schon wieder Kehrt gemacht, da meine Beine überhaupt nicht fit waren. Jeder noch so kurze Anstieg schmerzte in den Beinen und ich hatte das Gefühl, zu wenig Sauerstoff transportieren zu können. Ich fluchte und war deprimiert. Doch dann akzeptierte ich diesen Zustand einfach und sagte mir immer wieder: "Es ist, wie es ist!" Und dieser kleine Trick zeigte Wirkung. Ich nahm "Die Hand" in Angriff. Über ein endloses Geröllfeld suchte ich mir einen Weg im Zickzack steil bergauf. Meine Schuhe hatten einen guten Grip und ich fühlte die Aufregung des Neuen in mir. Trotzdem blieb ich immer wieder stehen und hinterfragte das Projekt. Meine grösste Sorge war ein Steinschlag. Ich lief weiter, immer weiter, teilweise auf allen Vieren. Ich fühlte mich wie Spiderman. Immer wieder schaute ich nach unten und überprüfte, ob ich mir den Rückweg auch zutraute. Einmal oben angekommen waren alle Zweifel weg! Es war ein erhabenes und zugleich dankbares Gefühl, es geschafft zu haben. Nach kurzer Verweildauer machte ich mich an den Abstieg. Ich rutschte auf allen Vieren, kraxelte über grosse Steinplatten und glitt auf Altschneefeldern elegant  und rasant nach unten. Mit ein paar Kratzern und Schrammen an den Beinen und einem glücklichen Gefühl im Bauch gönnte ich mir im Anschluss einen Kuchen und Cappucchino!

Am 31. August stand dann die zweite "24 Stunden Wanderung" auf dem Programm. Das Wetter war dieses Mal auf unserer Seite. Morgens Früh am Ofenpass schien uns die Sonne ins Gesicht und verzauberte die Landschaft in ein sensationelles Licht. Die Farben der Wiesen und des Sees waren so klar, dass wir ständig anhielten um Fotos zu machen. Die Tour ging weiter über Livigno bis zum Chachauna Pass. Oben wehte ein kräftiger Wind- zum Glück hatten wir alle unsere Daunenjacken dabei. Der Abstieg fürhte über eine "Never-ending-Forststrasse", die mir einige Krisen bescherte. Dank mentaler Techniken konnte ich diese aber direkt im Kern ersticken! Nach 75km und 2200hm im Aufstieg gönnten wir uns ein opulentes Frühstück!

Mein Musiktipp: Velojet "Angeldust"
http://www.youtube.com/watch?v=67KTLV0OpjI





"Die Hand"- rechts im Bild