Ich bin wieder gut zurück vom Manaslu Trail Race im Himalaya und freue mich, dass alles dann doch noch so gut verlaufen ist.
Als
3. im Gesamtklassement und 2. Frau hinter der Pro-Athletin Anna Frost,
bin ich sehr zufrieden mit meinem Resultat. Es war ein sehr intensives und
kraftraubendes Rennen.
Nach 220 Kilometern, 12,000 Höhenmetern im Aufstieg, blutigen Knien, aufgeschürften Ellbogen, schlaflosen Nächten, Eiskälte und atemberaubender Ausblicke auf die Berge der Welt! Das ist nur eine kurze Zusammenfassung...
Stage 1: Von Arughat nach Machhakhola
Bevor es zur erste 25km langen Etappe von Arughat nach Machhakhola losging, wurden wir in einer Zeremonie von einheimischen Geistlichen gesegnet und bekamen einen roten Punkt auf die Stirn. Mir gefiel dieses Ritual sehr gut und ich stand mit Stolz und 35 Läuferinnen und Läufer aus der ganzen Welt an der Startlinie. Die ersten Meter nach Startschuß fühlten sich eigenartig an; war ich doch 5 Tage nicht mehr gerannt! Dieses komische Gefühl war dann aber zum Glück nach dem ersten Kilometer verschwunden. Die anderen Läufer übrigns auch. Pfu, Anna und ich hatten das Feld relativ schnell hinter uns gelassen und ich war doch recht erstaunt, dass ich schon jetzt ganz weit vorne war, obwohl das Tempo noch nicht extrem hoch war. Nach ca. 15 Kilometern musste ich die beiden Ersten ziehen lassen, um mein eigenes Tempo zu finden. Es ging stetig rauf und runter, über Brücken und durch kleine Dörfer. Als ich die Ziellinie überquerte war ich zwar einerseits froh, auf der anderen Seite aber auch irritiert, dass es so gut und schnell ging! Auf Pfu und Anna hatte ich gerade mal 7 Minuten Rückstand. Mit einem guten Gefühl verbrachte ich den restlichen Tag mit Stretching, Essen und Entspannen.
Stage 2: Von Machhokhola nach Deng
Die Etappe hatte es mit 39 Kilometern ganz schön in sich. Die Länge war hierbei nicht so dramatisch. Vielmehr erschauderte ich vor dem Höhenprofil: ca. 2800hm im Aufstieg und die mussten im steten Wechsel bewältigt werden, sprich: es ging immer wieder für kurze Stücke rauf und dann wieder runter. Eine sehr anstrengende Angelegenheit bei der ich mich immer wieder motivieren musste. Nach ca. 18km war es dann mal wieder soweit: mit einer klassischen Flammersfeldschen Rolle stürzte ich neben die Arme eines Sherpas und riss mir dabei ein fieses Loch ins linke Knie an einer so blöden Stelle, dass es ziemlich heftig blutete. Da ich allerdings schon im völligen Autopilot-Modus war, konnte ich das Knie nicht richtig verbinden. Und so lief ich mit dem lädierten Knie die restlichen Kilometer und versuchte, die aufkommenden Schmerzen nicht zu beachten. Es ging wie immer durch Dörfer, über Hängebrücken und immer wieder am Fluß entlang. Als ich zu einer Wegkreuzung kam und mir nicht mehr sicher war, ob ich nach links oder rechts muss, strauchelte ich kurzzeitig und entschied mich dann, die linke Strecke einzuschlagen. Nachdem mir in den folgenden 15 Minuten keine Menschenseele begegnet war, begann ich zu zweifeln. Oder besser gesagt: Panik stieg in mir auf!! Hatte ich den falschen Weg genommen? Musste ich alles wieder zurückrennen?? War mein Vorsprung dahin? Ich hoffte auf ein Zeichnen. Und dieses kam in Form einer Gruppe von Trägern, die mir bestätigten, dass ich auf dem richtigen Weg war. Mir fielen Steine vom Herzen und ich lief motiviert weiter. Nach 5:05 h überquerte ich die Ziellinie und war echt froh, diese lange Etappe überstanden zu haben. Nun hatte ich Zeit, mich meinem Knie zu widmen, was leider gar nicht gut aussah. Eine dicke Kruste aus Blut und Sekret hatte sich auf dem gesamten Knie gebildet und sah ziemlich schlimm aus! Ich versuchte notdürftig die Wunde zu säubern und da ich von der langen und anstrengenden Etappe noch ziemlich erschöpft war, drehte sich mir auch noch mein Magen ein wenig um. Die Wunde war zwar nicht groß, dafür aber sehr tief. Und als dann auch noch dieser wunderschöne Cocktail aus Adrenalin und Endorphinen aus meinem Blut verschwand, kam der Schmerz. Und mit dem Schmerz kam auch die Steifigkeit im Gelenk und plötzlich konnte ich das Knie auch nicht mehr beugen. Ich war der Verzweiflung nah! Sollte das das Ende des Rennens sein? Und noch viel schlimmer: wie sollte ich dann mit einem Hinkebein auf das asiatische Plumsklo gehen können?! Nachdem sich unser Racedoc Dr. Pronav das Knie genauer angesehen hat, bekam ich ein kleine Dosis Schmerztabletten. In der Hoffnung, dass es am nächsten Tag besser sein würde, ging ich früh schlafen.
Stage 3: Von Deng nach Hinang
Mit einem steifen Knie 25km laufen? Beim kleinen Testlauf in früher Morgenstunde war ich nicht davon überzeugt, dass ich es schaffen könnte. Trotzdem ging ich an die Startline und dachte an diverse Handballspiele zurück, in denen ich trotz ähnlicher Verletzungen durchgespielt habe. Augen zu und durch. Der Startschuss erfolgte dann, als ich noch in Gedanken beim Handball war und das überraschte mich so sehr, dass ich den Anfangsschmerz gar nicht wahrnehmen konnte. Ich lief einfach los und nachdem ich die ersten 5km hinter mir hatte und die Muskeln aufgewärmt waren, ging es besser. Trotzdem musste ich das Tempo reduzieren und gerade auch bergab ziemlich aufpassen. Somit lief ich an diesem Tag zusammen mit Claire Price, einer erfahrenen Trailläuferin aus England. Die Strecke schlängelte ich durch eine alpine Landschaft und 2km vor dem Ziel erblickte ich dann zum ersten Mal den gut 7000 Meter hohen Hinang. Der Anblick war einfach nur gigantisch.
Den restlichen Tag verbrachten wir in einem Tempel auf einem Hochplateau und ich konnte in der Sonne liegen und das Knie entspannen.
Stage 4: Von Hinang nach Sama
Der Start vom Tempel in eisiger Kälte verlief ziemlich dramatisch. Der Amerikaner Seth startete so schnell, dass er ein einen Torbogen übersah und mit seinem Kopf bremste. Die Haut an der Stirn platze auf und Seth ging zu Boden. Zum Glück passierte dieser Unfall direkt nach dem Start, so dass Dr. Pronav seine medizinischen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnten. Mit einem Leatherman und Faden nähte er ohne Betäubung die Wunde, da Seth eine Nadelphobie hat. Wie sich nach dem Wettkampf bei einer MRT-Untersuchung herausstellte, war auch ein Halswirbel gebrochen. Seth konnte das Rennen allerdings noch beenden!
Nach diesem Schock war es mir erstmal ganz anders und ich musste einige mentalen Tricks anwenden, um das Geschehene zu verarbeiten. Da di Etappe sehr streng war, hatte ich zum Glück nicht viel Zeit zum Nachdenken. Es ging nach einer kurzen Warm-Up-Passage auf einer Almwiese auf 3800 Meter und dann weiter über ein Hochplateau zu einem Tempel auf 4000m. Ringsherum die Gletscher und ein wahnsinniger Anblick des Manaslu. Aber Joggen auf dieser Höhe ist ziemlich anstrengend und ich musste zwischendurch immer wieder walken. Auf dem Rückweg ging es durch einen steilen steinigen Canyon. Und da ich mein Knie berrgab immer noch nicht 100%tig belasten konnte, war der nächste Sturz schon vorprogrammiert. Ich blieb wieder irgendwo hängen und landete einfach mal heftigst auf meinem Allerwertesten. Autsch! Ich freute mich, als ich endlich im Ziel war, das ich zusammen mit Anna und Claire erreichte.
Stage 5: Von Sama zum Manaslu Basecamp
Es war ein absoluter Kaltstart. Von 3500 auf 4500 und wieder zurück mit einer Wegstrecke von 10km. Ich kroch die Höhenmeter wie eine Dampflock nach oben und schnaubte auch dementsprechend. Meine Lungen brannten und ich dachte kurz mal ans Aufgeben. Oder ans Hinsetzen und Sitzenbleiben. Aber ich lief dann doch einfach weiter. Oben angekommen wurde die Zeit angehalten, um Fotos zu machen oder die Aussicht zu genießen. Und dann kam endlich mal meine große Stunden: Beim Bergab gab ich einfach alles und flog hochkonzentriert die Trails runter und kam in 42 Minuten als Zweite ins Ziel. Wow, ich war begeistert und froh, dass das Knie so gut mitmachte. Am Abend gab es noch einen Geburtstag von Jane zu feiern und unsere Köche zauberten einen feinen Schockoladenkuchen!
Stage 5: Sama nach Samdo
Bevor es mit unserem Wettkampfgeschehen weiterging, durften erstmal die Kleinsten des Dorfs zeigen, dass sie auch rennen können. In einem kleinen Wettkampf rannten die Kids einmal quer durchs Dorf und wurden von uns lautstark angefeuert! Welch ein Einblick der kleinen nepalesischen Kinder...Teilnehmer Andrew aus Australien hatte dann noch für alle Kinder eine Überraschung in Form eines Malheftes. Die Freude war groß!
Unser Rennen ging dann nach einem kurzen Spaziergang zum eisblauen Gletschersee unterhalb des Weges zum Manaslu Base Camp los. Einfach 8 Kilometer standen auf dem Programm, die sich dann auch als ziemlich einfach erwiesen. Nach 65 Minuten kam ich ins 3850m hoch gelegene Samdo. Die Sonne schien kräftig und wärmte uns von allen Seiten. Es gab ein schmackhaftes Lunch (Linsen und Curry mit frischem Brot) und ich fühlte mich wohl. Das anschließende Nickerchen holte mich dann aber wieder zurück in die Realität, denn in unserer Lodge war es eiskalt. Eiskalt. Die Atemluft gefror schon beim einfachen Ausatmen. An Schlaf war nicht zu denken. Zudem machte sich mein Magen bemerkbar und es fühlte sich an, als hätte ich Steine gegessen. Da der nächste Tag zur besseren Akklimatisierung genutzt und nicht als Renntag gewertet wurde, konnte ich alles aber ganz entspannt angehen. Dachte ich zumindest. Die Nacht war dann schlimmer als gedacht. Trotz 5-Lagen und heißer Wasserflasche an meinen Füßen fror ich ziemlich und mein Magendarmsystem rebellierte dann völlig. Am nächsten Morgen war es dann schon wieder etwas besser und ich wanderte mit den anderen bis in die Nähe der tibetischen Grenze. Auf 4,500m machte ich eine Pause und genoss zum ersten Mal die Ruhe und Weite der Landschaft und fühlte mich mit ihr verbunden.
An diesem sternenklaren Abend ging ich früh schlafen, da es am kommenden Tag über den Larkya La Pass auf 5,100m gehen sollte. Auch dieser Tag zählte nicht zum Wettkampf, da die Belastung zu groß gewesen wäre.
Es ging für mich um 5:15 Uhr los und ich versuchte, mein eigenes Tempo zu finden. Doch wie es manchmal eben so passiert, passte nichts zueinander. Die Mütze hing mir ständig schief im Gesicht, der Wasserschlauch von der Trinkblase war verdreht, ständig musste ich die Handschuhe ausziehen, weil ich irgendetwas auf,- oder zumachen musste. Die ersten 10k waren einfach der Horror. Im Vollmondlicht stapfte ich vor mich hin und schnaubte, dass man mich von Weitem kommen hörte. Immer wieder musste ich gefrorene Wasserfälle überqueren und mir mühsam einen Weg suchten, was ich viel Kraft kostete. Als ich dann endlich am ersten Checkpunkt an einem Teehaus ankam, ging es mir etwas besser. Auf 4,200m war es sehr kalt, doch die aufgehende Sonne sollte mich bald wärmen. Ich brach nach einer Tasse heißem Tee wieder auf und setzte meinen Marsch fort. Der Weg schlängelte sich fortan durch einen verschneiten Canyon und ganz weit in der Ferne konnte man erahnen, dass dort der Pass sein würde. Und wie fühlte ich mich? Besser. Mit jedem Schritt, den ich in den Schnee setzte, kam neue Energie zurück und je höher ich kam, desto besser fühlte ich mich. Klingt paradox, soll es aber geben! Als ich gegen Mittag dann endlich die 5,100 Höhe erreichte, war ich so glücklich, wie nie zuvor in diesem Rennen. Ich war alleine dort oben, umgeben von zahlreichen Gebetsflaggen, die sich im leichten Wind bewegten. Eine atemberaubende Atmosphäre!
Mit neuer Energie machte ich mich dann an den Abstieg, der sehr vereist und rutschig war. Abermals konnte ich hier meine Downhill-Stärke ausspielen und suchte mir abseits des Weges im Tiefschnee die beste Linie. Als ich nach kurzer Zeit auf Bruce, Mick und Michael traf, waren diese sehr froh, dass ich ihnen einige Tipps gab, wie sie heile diese Passage schafften konnten. Nach 8 Stunden kamen wir alle dann in Bimtang an und genossen die letzten warmen Sonnenstrahlen, bevor es wieder eine eisige Nacht werden sollte.
Stage 7: Von Bimtag nach Dharapani
Die letzte Etappe stand auf dem Programm und leichte Nervosität machte sich in mir breit. Konnte ich meine 21 Minuten Vorsprung auf der 26km langen Etappe halten? Würde alles gut gehen und würde ich es gesund und munter ins Ziel schaffen? Meine Sorge war etwas unberechtigt, da sich irgendwie alle Top 10 Läufer dazu entschieden, diese letzte Etappe gemeinsam zu bewältigen! Und so rannten wir in einem zügigen, aber dennoch gemütlichen Tempo die 26km zusammen bis ins Ziel. Zwischendurch mussten wir allerdings einige Male anhalten, da einige von uns wieder mal über Steine stolperten. Ich legte 2km vor der Ziellinie auch noch mal eine 1A-Flammersfeldsche Rolle hin und schürfte mir das andere Knie und die Hand auf....
Die Freude war groß, als wir dann endlich die Ziellinie Hand in Hand überquerten und uns feierten!
Manaslu Trail Race 2013: Ein echtes Abenteuer!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen