Sonntag, 18. Dezember 2011

Hopp Flammi, Hopp Schwiiz, Hopp Dütschland, Hopp!


Hopp Flammi, Hopp Schwiiz, Hopp Dütschland, Hopp!

Toll, wenn man auf einer langen Distanz mit diesen Worten ständig angefeuert wird! Mit dieser zusätzlichen Motivation schaffte ich einen neuen Streckenrekord: St. Moritz, Val Roseg bis zum Hotel und wieder retour via Bahnlinie (28km, 300hm). Plus Rucksack, gefüllt mit Tetrapack Orangensaft und ein paar Decken, 2:32h. Trainerin Barbara, die mich aus Zürich am Wochenende besuchte, setze all ihre psychologischen Kenntnisse ein, damit ich die Geschwindigkeit und den Rhythmus einhalten konnte. Von positiver Verstärkung bis hin zu militärischen Tönen: Lauf jetzt, loooos! Und damit die Oberschenkel auch richtig trainiert wurden, schleifte die Trainerin mich nach einem Eiweissshake und Guetzlis noch auf die Piste. 2h Telemark ohne Pause. Die Pistenpatrouille musste hin und wieder ausrücken, um den Brand in meinen Oberschenkeln zu löschen. Aber sonst war alles tiptop!

Somit konnte ich das Wochenziel dann doch noch in etwa erreichen. Die 140km waren diese Woche einfach nicht drin, da es ab Donnerstag ziemlich heftig stürmte und ein Schneesturm nach dem nächsten durch das Tal jagte. Aber das ist Wüstenfeeling pur: Die Wege, die ich mir für meine langen Distanzen aussuchte, verliefen alle durch schienbeinhohes Tiefschneeterrain, was mir die Schweissperlen auf die Stirn trieb. Es ist mal etwas ganz anderes, durch Tiefschnee zu joggen und erinnert stark an Wüstensand. Aber noch schlimmer finde ich es, wenn die Wanderwege mit zahlreichen Spuren von anderen Wanderern durchsetzt sind und man ständig in diese Fussspuren treten muss. Somit habe ich die Strecke von Sils nach Silvaplana (5km) damit verbracht, laut zu fluchen und mich tierisch aufzuregen. Aber es kam noch schlimmer: Am Champferersee hatte es heftige Schneeverwehung, die so hoch waren, dass ich bis zur Hüfte im Schnee einsackte. Ich musste mein  komplettes Körpergewicht plus Zusatzladung (3 Liter Orangensaft und ein paar Handtücher) immer wieder aus diesen Bergen von Schnee herauswuchten. Von da an änderte ich meine mentale Strategie und verzog mein Gesicht zu einem Dauergrinsen. Das hilft tatsächlich. Und damit das noch nicht genug war, setzte ich präventiv noch eins drauf: Ich begann zu singen. Und zwar kein anderes Lied als „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“. In allen Versionen. Für die 22km lange Strecke habe ich 2:23h gebraucht! Im Anschluss hatte ich zum Glück noch einen Termin beim Osteopathen, der meine Halswirbelsäule wieder einrenkte.

Am Freitag musste ich mich dann wirklich dem Wettergott geschlagen geben, denn der Schneesturm war einfach zu heftig. Ich hatte Angst, dass ich trotz schwerer Ladung in meinem Rucksack wegfliegen würde! Also kramte ich in im Kleiderschrank nach meinem Badeanzug und der Badehaube und fuhr kurzentschlossen ins Freibad, äh, Hallenbad. Nach 25 Minuten Aquajogging und 50min Crawl hatte ich dann auch definitiv genug vom Wasser. Aber, ich muss sagen, es tat meinem Rücken und den Gelenken schon sehr gut.  
Die Weihnachtswoche sollte ähnlich verlaufen. Ich bin gespannt und freue mich über jegliche Begleitung mit und ohne Velo!
Mein Musiktipp: 
Tiefschnee?! Noch ist es kein Pow Pow!

Val Roseg



Sonntag, 11. Dezember 2011

Rauf und runter mit und ohne Gepäck


Schnee und starke Stürme läuteten die neue Woche ein. Es war teilweise eine Motivationsfrage, ob ich gegen oder mit dem Sturm kämpfen sollte. Und dann auch immer die Frage: Was ziehe ich an? Faserpelz oder Windstopper? Primaloft und drunter 2 Lagen? Auf den ersten zwei, drei Kilometern sterbe ich meistens einen Erfrierungstod, um dann spätestens nach 30 Minuten jegliche Reissverschlüsse und Kragen zu öffnen und die Handschuhe in den Taschen zu verstauen. Gut, dass es in der Wüste heiss ist. Da stellt sich die Frage nach Lagen und Zwiebelprinzip nicht…
Am Dienstag ritt mich der Teufel, denn ich hatte die Idee, auf die Alp Languard zu joggen. Mit Rucksack und Stöcken. Und Gegenwind. Und Schneesturm. Ich war so dick eingepackt, dass mich deutsche Spaziergängerinnen ganz aufgeregt ansprachen: „Ach, da ist sie ja wieder, unsere Rodlerin“?! Mit wem wurde ich denn da verwechselt? Ich fasste es als Kompliment auf und zeigte auf der folgenden Bergetappe mein Bestes. Gemein und heimtückisch waren die Eisflächen, welche mit einer dünnen Schicht Schnee bedeckt waren. Ich musste höllisch aufpassen, dass ich nicht ausrutsche (was ja eine meiner neuen Lieblingsdisziplinen ist…). Auf der Alp (mein ursprünglicher Plan war es bis zur Paradishütte zu rennen) fegte mir dann ein heftiger Sturm entgegen und die Wege wurden zur einzigen Rutschpartie. Ich hatte zwar in meinem Rucksack wieder Kaminholz geladen, aber nach einem romantischen Feuer war es mir nicht. Ab nach Hause, dachte ich. Zudem war es mir auf dem gesamten Hinweg ziemlich übel im Magen. Lag wohl daran, dass ich vorher Aminosäuren in Tablettenform geschluckt hatte. Diese sollen während Ausdauerbelastung zusätzlich „Energie“ geben.  Und meine Apothekerin des Vertrauens meinte, ich sollte die mal ausprobieren. Gut, dass ich jetzt noch alles testen kann. Bis zum Ernstfall weiss ich dann Bescheid.
Am Freitag lockte mich die Strecke ins Val Roseg, wo ich morgens völlig alleine meine Spuren in den Schnee ziehen konnte und lediglich vom Kutscher freundlich gegrüsst wurde. Ich war mit meinen Gedanken wohl schon in der heissen Badewanne, als es wieder passierte: Kurz vor dem Bahnübergang zog es mir die Füsse wieder weg. Elegant und spontan wie ich bin, verlagerte ich das komplette Gewicht (samt Rucksack) nach vorne, was zur Folge hatte, dass ich einen grandiosen Bauchplatscher auf die vereiste Strasse machte und meine Knie und Hände den Fall abbremsten . Haltungsnoten 1A! Jetzt spiele ich schon kein Handball mehr und laufe trotzdem wieder mit blauen Knien rum. Das muss aufhören! Wer kennt denn da einen Tipp??
Am Wochenende kam mich Trainerin Julia besuchen. Nach einem Tag auf der Piste, wo wir die Oberschenkel beim Telemark trainierten, ging es später noch auf die Heimstrecke (12km) mit Rucksack. Julia begleitete mich mit dem Bike- ich kam mir vor wie Irina Mikitenko (Deutschlands schnellste Marathonläuferin), die im Sommer ihr Höhentrainingslager im Engadin absolviert und auch immer von ihrem Trainer per Bike begleitet wird.
Und die Krönung dann heute: Bei bestem Winterwetter machten wir uns gen Val Fex auf. Da ich ungern die gleiche Strecke auf dem Rückweg laufe, wählte ich eine Trailpassage aus. Meine Trainerin kämpfte sich mit dem Bike tapfer durch tiefen Schnee und feuerte mich auch aus gefährlicher Schräglage noch an, ich sollte schneller laufen, bevor sie dann elegant über Wurzeln zu Fall kam.
Die Spaziergänger (vorwiegend ältere Herren) waren von uns auch ganz irritiert und hätten mir sicherlich am liebsten den Rucksack abgenommen.  
Es ging diese Woche also wieder zur Sache. Im Rucksack transportiere ich neuerdings 1.5Liter Orangensaftbeutel. Wer also mal einen Transport von St. Moritz auf Maloja oder wohin auch immer hat: einfach anmelden!
Wochenkilometer: ca. 110km plus/minus 1000hm
Mein Musiktipp: 
Irgendwo im Wald zwischen Val Fex und Sils

Champferer See

Abgestürzte Trainerin "Lauf schneller"

Da kommt die Trainerin angerast!

Sonntag, 4. Dezember 2011

Perfektes Wetter für Wettkampfbedingungen


Perfektes Wetter für Wettkampfbedingungen

Im Dezember sollte es hier im Engadin eigentlich meterhohe Schneewände geben, auch Powder genannt. Normalerweise hätte ich um diese Jahreszeit mindestens schon drei Skitouren hinter mich gebracht und meine Powderplanke (sehr breiter Ski) würde nicht jammernd im Keller stehen und auf ihren ersten Einsatz warten. Aber da ich diesen Winter ja auch einen völlig anderen Schwerpunkt habe, kommt mir das warme Winterwetter sehr gelegen.
Und somit konnte ich auch in dieser Woche wieder auf unendlich lange Longjogs gehen. Dabei war die Krönung Mitte der Woche: Mit der Sonne im Rücken machte ich mich durch den Stazerwald auf in Richtung Bever. Die Todeszone am Flugplatz (hier verlieren manchen Athleten beim Sommerlauf die Nerven) bewältigte ich ohne Verluste und auch der eisige Wind, der mir ab Bever entgegen peitschte konnte mich von meinem Vorhaben, den Funkmasten in St. Moritz auf möglichst ungewöhnlichem Wege zu erreichen (normalerweise würde ich den direkten Weg nehmen und ca. 45min brauchen) nicht abhalten. Ein genialer Trail ab Val Bever brachte Freude in mein Herz und liess mich lustig und fröhlich bergauf und bergab springen: immer der Sonne entgegen. Meine Orientierung besagte mir, dass ich mich immer nur auf den oberen Wegen aufhalten sollte, um diesen Funkmasten gut zu erreichen. Das hatte zur Folge, dass ich mich immer weiter bergwärts spulte und einige Höhenmeter machte. Hin und wieder tauchte dann mal eine weisse Substanz unter meinen Füssen auf, die man wohl "Schnee" nennt. Oder auch künstlich produzierten Schnee, wie man aufgrund der aufgestellten Schneemaschinen nicht ins Zweifeln kommen sollte. Ich war im völligen Laufrhythmus ganz auf mich konzentriert als es dann passierte: Die tiefstehende Sonne blendete mich so stark, dass ich über einen relativ kleinen Stein so blöd stolperte, dass ich mich nur noch mit einer gekonnten Handballrolle über die Schulter abfangen konnte. Da ich aber nicht auf weichem Hallenboden sondern auf fiesem Geröllfeld landete, tropfte anschliessend das Blut aus meinem Knie die Wade nach unten bis in den Schuh. (Bin ich etwa das neue Aschenputtel?). Würde ich nicht so häufig und oft stürzen (letzte Woche bin ich an einem 2cm hohen Hydrantendeckel kleben geblieben), wäre ich wahrscheinlich schon längst in der Notaufnahme des Spitals Dauergast. Aufgrund dieser Sturzgefahr, die immer von mir ausgeht, bevorzuge ich einsame Wege ohne grosse Spaziergängerfrequenz. Was ist peinlicher als diese Stürze? Auf alle Fälle erreichte ich den Funkmasten nach 2:45h und 1000hm rauf und runter.Ein toller Trail!
Bei den restlichen Einheiten in dieser Woche schleppte ich dann meistens meinen Rucksack gefüllt mit neuem Kaminholz vom Lej Marsch mit. Donnerstag wechselte das Wetter und ein sturmähnlicher Wind zog über die Seen. Anstatt die geschützte Variante durch den Wald zu nehmen entschied ich mich, dem Wind mein Gesicht zu zeigen und schon mal für die Wüste Gobi (windigste Wüste/ Rennen im Juni) erste Erfahrungswerte zu sammeln. Mit meinen Wanderstöcken kämpfte ich gegen den Wind an und es machte irgendwie Spass, der Natur so ausgesetzt zu sein. Auf dem Hahnensee angekommen war es wieder windstill.
Die Woche beendete ich mit meinem Lieblingstrail von St. Moritz nach Silvaplana über den Via Engiadina. 
Heute in drei Monaten ist es somit: Atacama Crossing in Chile!!! Adios.
Wochenkilometer: ca. 120km
Mein Musiktipp: 
http://www.youtube.com/watch?v=nJSn0IufdM4
St. Moritz Dorf im Dezember 2011




Ok, der Schreck war grösser als die Wunde...