Montag, 28. Mai 2012

Taperingphase- oder wie sinnvoll Erholung ist

Seitdem ich aus der Atacamawüste zurück bin, habe ich neun Wochen intensiv trainiert. Zusammengefasst sind das ca. 1124km, die ich in dieser Zeit gerannt bin. Es ist also kein Wunder, dass ich mir in dieser Phase zwei Paar neue Laufschuhe gekauft habe.
Ab dieser Woche beginnt nun die Taperingphase, sprich, der Laufumfang wird drastisch reduziert. Der Sinn und Zweck dieser Erholungsphase liegt darin, dass der Körper alle Speicher wieder optimal auffüllen kann. Zudem kann sich auch der Geist von den Strapazen des intensiven Trainings erholen und sich auf den bald folgenden Wettkampf einstellen.
Erholung ist auch immer wieder das Thema, über welches gerne diskutiert wird. Viele vergessen, dass sich die Speicher in der Trainingseinheit entleeren. Energie wird verbraucht. Ob man nun um den See joggt oder auf der 400-Meter-Bahn schnelle Intervalle rennt. Bei jeder muskulären Bewegung verbrennt der Organismus Zucker. Unser Hirn verbraucht übrigens mit 20% die meiste Energie! Nach der Trainingseinheit beginnt die Phase der Regeneration. Der Körper versucht nun, das Energiedefizit auszugleichen und die Speicher wieder aufzufüllen. Wird dieser Phase eine bedeutende Beachtung geschenkt und ist der nächste Trainingsreiz optimal gelegt, kann es zur sogenannten „Superkompensation“ kommen:
In der Regenerationsphase nach dem Training werden durch verschieden Prozesse die verlorengegangenen Substanzen ersetzt (anabole Phase): es kommt zu einem Wiederanstieg über das Ausgangsniveau hinaus, aber nur, wenn die Pausenlänge ausreichend gewesen ist. Es müssen Trainingsreisze in optimaler Folge und Intensität gesetzt werden, damit die sportliche Leistungsfähigkeit kontuiierlich ansteigt.
Hierzu möchte ich nun einen kleinen Exkurs einschlagen und mit euch auf eine Reise in die Steinzeit machen, als wir noch in Höhlen wohnten und unser Essen nicht im Supermarkt kaufen konnten, sondern es im Wald jagen mussten: Unsere Vorfahren legten am Tag ca. 30km zurück. Das entspricht etwa einer Strecke von St. Moritz bis ins Val Fex zum Hotel Sonne und wieder zurück. Auf diesen 30km war der Jäger natürlich nicht zum Spass unterwegs. Er musste dafür sorgen, dass er ein Tier fängt, um zu überleben. Dabei wurde er auf der einen Seite durch einen guten muskulären Körper und durch ein ausgeklügeltes Hormonsystem unterstützt. Unser Hormonsystem ist ein komplexes Konstrukt von verschiedensten Abläufen, die für die Funktion der Organe, aber auch für unsere Gefühle verantwortlich sind. Unser Steinzeitmensch erlebt auf der Jagd also auch eine hormonelle Achterbahnfahrt. 
Gehen wir also auf Jagd: Der Jäger nimmt mit seinen wachsamen Augen ein Tier wahr. Dies bedeutet nun: Futter! Überleben! Und im Körper fährt ein autonomes System ab. Adrenalin wird in grossen Mengen ausgeschüttet und bewirkt, dass mehr Blut in den Organismus gepumpt wird. Die Pupillen weiten sich und die Nackenhaare stellen sich auf. Der Jäger ist hochkonzentriert, fokussiert und auf alles gefasst. Er sprintet nun auf das Tier los und seine geschickten Bewegungen bringen ihm den Erfolg. Nach getaner Arbeit muss der Körper sich nun erholen. Ansonsten hätte der Jäger ja auch gar keine Zeit, das erlegte Tier zu verspeisen. Die Erholung wird nun auch vom autonomen Nervensystem gesteuert. Dieses Mal sorgt der sogenannte Gegenspieler dafür, dass die Produktion des  Adrenalins eingestellt wird und sich der Organismus beruhigen kann.Alles fährt auf Entspannung, so dass die Speicher wieder aufgefüllt werden können.

Auch wir als Neuzeitmenschen erfahren täglich Situationen, in denen das Hormonsystem u.a. Adrenalin ausgeschüttet. Wir müssen zwar nicht mehr jagen gehen, um zu überleben, aber unser System läuft in Stresssituationen noch genau gleich ab. Wenn wir uns stark konzentrieren müssen, sorgt das Adrenalin für perfekte Leistung. Die Reaktionen sind genau die, die auch unser Steinzeitmensch erfahren hat: Blutdruckanstieg, Erweiterung der Pupillen und Bereitstellung von Zucker für viel und schnelle Energie. Der Unterschied ist aber oftmals der, dass der Neuzeitmensch kein Verhältnis mehr kennt zwischen Anspannung und Entspannung. Ein Beispiel: Im Beruf muss ein neues Projekt bearbeitet werden. Die Abgabefrist rückt immer näher. Wir arbeiten rund um die Uhr. Immer wieder müssen wir geistig auf neue Dinge reagieren. Die höchste Konzentration ist gefragt. Und dies ist nur möglich, da viel Adrenalin im Körper zirkuliert.  An Erholung oder an eine Pause wird nicht gedacht. Lieber nehmen wir die Arbeit mit nach Hause. Dies verursacht weiteren Stress, da die Familie oder das Freizeitleben darunter leidet. Es fehlt der Ausgleich, da das System sich erholen muss, um leistungsfähig zu bleiben. Daher gibt es ja den Spieler, der das System anregt und den Gegenspieler, der das System beruhigt. Durch den ständigen Stress nimmt allmählich die Leistungsfähigkeit ab. Zudem kommen oftmals Symptome wie Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und Appetitlosigkeit. Von ehemals 100% Leistungsfähigkeit ist nur noch 70-80 % verfügbar. Im neudeutschen Sprachgebrauch nennt man dieses Phänomen neuerdings „Burn Out“. Ich als Sportwissenschaftlerin würde sagen: wir sind übertrainiert! Denn wer ständig trainiert, immer weiter rennt, die Kilometerzahl von Woche zu Woche steigert, ohne seinem Körper die notwendige Ruhe zu gönnen, der baut an Leistung ab (siehe Superkompensation). Denn der Körper verliert im Training, (oder bei der Arbeit) Energie, die Speicher entleeren sich! Und wann kann man die Speicher wieder auffüllen? In der Pause, in der Regenerationsphase. Unser Steinzeitmensch hat es richtig gemacht: Er ist auf die Jagd gegangen, hat sich bewegt und hat dann pausiert. Er hat sein System so im natürlichen Gleichgewicht gehalten.
Fazit: Bewegung und Pause sollten sich regelmässig abwechseln. Lieber eine Pause mehr, als ein Training zu viel!

Meine Trainingswoche:
Der Montag stand wieder im Zeichen meiner Kunden und einer guten und letzten Sitzung mit meiner Mentaltrainerin Elisabeth. Am Dienstag bin ich dann zweimal auf den Hahnensee rauf und wieder runter. Mit vollem Gepäck. 400 Höhenmeter rauf, dann wieder runter und wieder rauf und wieder runter. Toll. Am Mittwoch zog es mich auf meine „alte“ 40km Strecke ins Val Fex. Alles war grün und die Alpacas standen friedlich auf der Wiese. Donnerstag einen lockeren 12km Lauf und am Freitag kam dann mein Ultralauffreundin Gabi zu Besuch. Wir umrundeten den Silvaplanasee im guten Tempo. Kurz vor der Zielgeraden hakte ich mich dann nochmal mit der Fussspitze an einem Kieselstein ein, strauchelte und kam wenige Meter später mit einem Bauchplatscher zum Stillstand. Hätten wir auch das wieder einmal erledigt. Die Reflexe funktionieren super! Samstag ging es dann wieder einmal von St. Moritz nach Zernez. Ja, zu Fuss! Die Strecke war dieses Mal schneefrei und gar nicht mehr so lang. Vielleicht lag es auch an der Unterhaltung mit Gabi, dass die Zeit schneller verging. Retour ging es mit dem Bähnli. Und am Sonntag ging es in einem lockeren Fahrtspiel für 90 Minuten durch die Engadiner Wälder. Ein schöne Woche. Total: Ca. 150km.

Mein Musiktipp, der unter die Haut geht: Unkle "Lonely soul"

Alpacas

Via Engiadina

Flugplatzpiste Bever

Irgendwo zwischen Brail und Zernez

Gabi

In Zernez

Belohnung!







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