Zwei von vier Rennen habe ich geschafft. In zwei von vier Rennen konnte ich so rennen, wie ich es immer mache: locker, frei und unbeschwert. In zwei von vier Rennen bin ich als erste Frau über die Ziellinie gesprungen. Und das jedes Mal in einer neuen Rekordzeit:
Für die 250 km durch die Atacamawüste habe ich 29:49,53 gebraucht. Nur 12 Männer waren schneller als ich. Für die 250km durch die Gobiwüste waren es nur 27:53, 21. Hier konnten gerade mal 3 Männer vor mir ins Ziel rennen- und mit 3h50min Vorsprung auf die zweitplatzierte Frau war es ein einsames Rennen für mich. Die Zahlen sprechen für sich. War ich in der Atacamawüste noch etwas vorsichtig unterwegs, so konnte ich in der Gobiwüste doch mein Tempo steigern und schneller laufen, obwohl das Terrain technisch sehr schwierig war: 60% Steine, 20% Canyons und 20% flache Sandstrasse. An ein schnelles Marathonrenntempo war da nicht zu denken. Jeder Schritt musste in einem Sekundenbruchteil koordiniert werden; jeder Fehltritt hätte fatale Folgen gehabt. Trotzdem konnte ich das Tempo immer relativ hoch halten und lief wie an einer Schnur gezogen durch die ausgetrockneten Flussbetten. Immer wieder dachte ich, dass es doch einen Trampelpfad geben müsste; immer wieder fiel ich auf diese Täuschung rein. Ich musste mir den Weg immer selber suchen. Und die Füsse hochheben, was enorm viel Kraft kostete. Dennoch würde ich eine solche Landschaft einer flachen Strasse immer vorziehen. Ich liebe die technischen Routen, wenn es über Stock und Stein geht. Ich fliege locker und leicht über die Steine hinweg. Das ist zumindest meine Vorstellung. Als ob ich Sprungfedern unter meinen Füssen hätte. Meine Mitstreiter haben mich oft gefragt, wie ich trainieren würde. Meine Antwort war immer die gleiche: Da, wo ich lebe, gibt es keine flachen Strassen. Wir haben nur Trails. Ich kann gar nicht flach laufen und schon gar nicht auf Asphalt. Das Engadin ist mein Trainingsparadies. Und da ich mit dem Joggen ja erst angefangen habe, als ich in die Berge gezogen bin, kann ich gar nicht sagen wie es ist, nur auf "Strasse" zu trainieren. Zudem würde ich aber auch behaupten, dass ich keine Strassenläuferin bin. Erst die vielfältigen und abwechslungsreichen Wege hier in den Bergen haben meine Leidenschaft zum Laufen geweckt. Würde ich in einer Stadt wohnen, hätte ich mein Talent vielleicht gar nie entdeckt. So kommt immer eins zum anderen. Man muss offen sein und den inneren Vorstellungen folgen. Ausprobieren, anstatt zu sagen, ich kann das doch eh nicht. Etwas wagen und den Mut haben, auch Grenzen zu überschreiten. Denn oftmals mangelt es an Vorstellungskraft, etwas Neues anzupacken. Die Leidenschaft und die Begeisterung für eine Sache sollten immer verfolgt werden. Die innere Stimme weist uns schon den Weg.
Zurück zu meiner Halbzeit.
Langsam erst beginne ich zu begreifen, welche Leistung ich in der Gobiwüste gezeigt habe. Langsam erst tauchen Bilder der Strapazen auf und zeigen mir ein Bild von einem unglaublichen Willen, die Wüste mit einer starken Leistung beenden zu wollen. Der Wille, an meine Grenzen zu gehen, mit dem Glauben, es schaffen zu können. Mein Körper ist gefüllt mit sportlichen Erlebnisse und Erinnerungen. Damit meine ich nicht nur mein Hirn. In jeder Zelle meines Körper sind diese sportlichen Leistungen gespeichert. Ich weiss, was es bedeutet, zu gewinnen, aber auch zu verlieren. Ich habe fast 25 Jahre lang Handball gespielt. Zuletzt in der 3. Liga Deutschlands. Ich habe einige Meisterschaften gewonnen, aber auch verloren. Ich war es bisher gewohnt, den Erfolg oder Misserfolg im Team zu erleben und zu teilen. Nach einem guten Spiel haben wir uns gegenseitig gratuliert; und nach einem verlorenen Match haben wir das Leid geteilt und Fehler analysiert. Jetzt jedoch bin ich alleine unterwegs und darf meine eigene Mannschaft sein. Ich bin Trainerin, Athletin, Betreuerin und Fan. Und das bedeutet, dass ich mir nach einem Sieg selber auf die Schulter klopfe und mich im Training zur Höchstleistung motivieren muss. Es ist ein komplett anderes Gefühl, alleine oder als Mannschaft zu siegen (oder zu verlieren). Da ich es "gelernt" habe, in einem Team zu siegen, fällt es mir nun als Einzelsportlerin schwer, mit dem Einzelerfolg umzugehen. Klar, ich kann nun sagen, ich habe alleine das Ziel erreicht. Nur weil ich so stark war, habe ich auch den Titel gewonnen. Aber es ist auch ein einsames Siegen. Eine völlig neue, interessante Erfahrung für mich.
Dass ich bisher beide Rennen als schnellste Frau gewinnen konnte, hängt sicher mit einem seriösen Trainingsplan zusammen. Zudem kommt aber auch die Komponente, dass mir das, was ich gerade mache, sehr viel Spass macht. Auch wenn die Trainingseinheiten manchmal anstrengend sind und mir manchmal die Motivation fehlt: Es lohnt sich. Denn der Weg zum Ziel ist eigentlich der Schönste. Der Moment des Siegens ist nur so kurz. Eigentlich sollte man nach jeder Trainingseinheit feiern wie die Königin von England ihr 60.igstes Thronjubiläum. Mit Pauken und Trompeten.
Denn die Phase nach einem Sieg (oder Wettkampf) ist längst nicht so schön, wie man sich das vorstellt. Ich bin erst mal in ein tiefes Loch gefallen und konnte einige Tage nichts mit mir anfangen. Ich habe als Trainerin zu mir gesprochen, und mich für die gute Leistung gelobt. Zugleich habe ich mir eine Trainingspause verordnet. Aber das war schwieriger umzusetzen, als ich dachte. Und dann habe ich mich doch ein wenig bewegt und kam mir vor wie auf rohen Eiern. Also doch lieber eine Pause. Ich musste mich zur Pause regelrecht zwingen. Ich musste die Portion Adrenalin auf eine andere Weise erzeugen. Und dann habe ich einfach mal nichts gemacht und mein System auf Pause gestellt. Ich habe bildlich auf einen grossen Pausenknopf gedrückt und konnte erst dann abschalten und habe gemerkt, wiedie Ruhe meinem Körper und Geist gut getan haben.
Im Moment steht also ein lockeres Training auf dem Programm. Ich gehe schwimmen und biken und mache ein leichtes Stabilisationstraining für die Muskulatur. Denn: am kommenden Wochenende gehe ich auch schon wieder an den Start: dieses Mal in einem Dreierteam beim legendären "Challenge Roth Triathlon". Anke schwimmt 3,8km, Isi radelt mal eben 180km und für mich bleiben dann noch 42 km zum rennen übrig. Ich bin gespannt, wie ich unterwegs sein werde und will eigentlich noch gar nicht dran denken. Ich versuche aber trotzdem meinen Geist auf diese Strecke einzustellen und produziere ausschliesslich positive Gefühle und Gedanken (die die negativen verdrängen,...).
Nach dem Marathon folgt eine Woche regeneratives Laufen und dann geht es ab der KW 29 mit der Vorbereitung für die Sahara und Antarktis los. 15 Wochen bleiben dann bis zum Start in der heissesten Wüste der Welt. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wo ich mich überwiegend aufhalten werde: in der Biosauna? Ich freu mich...
Hey, coole Seite. Ich habe auch mit Laufen begonnen und meine Fitness erheblich vergessen. Toller Sport.
AntwortenLöschenKlasse Bericht mal wieder. Ausführlicher Kommentar per PN.
AntwortenLöschenLG
Markus Lackmann