Ab morgen beginnt die Taperingphase. Das ist die Phase, in
der der Trainingsumfang um ca. 50-60% reduziert wird. Ich rennen also nicht
mehr 150km in der Woche, sondern nur noch ca. 40-60, um „ein wenig in Bewegung“
zu bleiben. Zudem ein bisschen Alternativtraining mit Schwimmen und Biken sowie
Massagen.
Ich habe mein Pensum für die vier Wüsten also zu Ende absolviert.
Ein wilde Zeit, die ich da erlebt habe. Und ich bin immer gesund geblieben! Hier mal ein kleiner Rückblick:
Im November 2010 traf ich beim Gunnar aus Norwegen beim
Pony-Trekking am Ende der Welt in Ushuaia (Argentinien). Und während wir auf
den Ponys durch die Wälder ritten, erzählte mir Gunnar von „Racing the Planet“.
Im Februar 2011 habe ich mit dem Training für die vier Wüsten angefangen und
habe mich durch Schneestürme, Gefriertemperaturen und Glatteis gekämpft. Im
Sommer freute ich mich über grüne Wiesen und freie Wege, bis es dann im Oktober
wieder zu schneien begann und alles von vorne losging. Am 6.10.2011 habe ich
meinen ersten Blog geschrieben. Bei Wind und Wetter kämpfte ich im Januar 2012
bei minus 30 Grad an, um anschliessend in der wohlig warmen Badewanne über
meine Erlebnisse zu lachen. Mein Wochenpensum an gelaufenen Kilometern
steigerte sich kontinuierlich bis auf 160km; hinzu kam der Rucksack als mein
treuer Begleiter. Die erste 11km Runde werde ich auch nie vergessen. Es
schneite wieder, die Strassen waren rutschig und ich rannte mit einem 5kg
schweren Ungetüm auf meinem Rücken durch das matschige Nass. Für die übliche
Runde brauchte ich 15 Minuten länger und kam am Ende erschöpft zu Hause an. Wie
sollte sich das denn verbessern, dachte ich damals noch. Ich probierte diverse
Rucksäcke und Inhalte aus: vom Brennholz über Steine, zu Tetrapacks und
Handtüchern, gefolgt von Wasserflaschen zu Mehl,- Zucker,- Linsen,- und Tomaten
in der Dose-Verpackungen. Je kleiner das Material, desto besser lief es. Und
jedes Mal war ich erstaunt, wie schwer der Rucksack war, wenn ich ihn einarmig
auf meinen Rücken schwang und wie leicht es sich mit der Zeit auf dem Rücken anfühlte.
Jeder, der den Rucksack auch nur mal zum Testen anhob, war erschrocken, was ich
mir da immer auf den Rücken schnallen würde. Und meine Antwort war immer: „Alles
eine Sache des Trainings.“
Und dann lief ich Ende des Jahres zum ersten Mal 42km im
Training und war total begeistert. Gleichzeitig überkamen mich zweifelnde
Gedanken, ob ich jemals auch 80km am Stücken rennen konnte. Dass ich in der
Atacama und Gobi einfach in neun Stunden ins Ziel gerannt bin, hätte ich zu dem
Zeitpunkt auch nicht erwartet. Ich hatte damals noch mit knapp 18 Stunden
kalkuliert!
Auch in Sachen Ernährung habe ich einiges gelernt. Ich kann
nun genau sagen, was ich wann vor einem Lauf essen sollte und was nicht. Dass
ich trotzdem immer mal wieder mit Seitenstechen stehen bleiben muss, lag wohl
daran, dass ich der süssen Haribo-Versuchung oftmals nicht nachgeben konnte.
Eine interessante Zeit, die ich auch mental mit vielen Hochs
und Tiefs erleben durfte und immer wieder an Grenzen gestossen bin. Aber dazu später
an anderer Stelle (oder spätestens in meinem Buch, welches ich über meine
Erlebnisse schreiben möchte) mehr. Und nun beginnt die Ruhephase vor den
Wettkämpfen. Am 25.10. fliege ich in Sahara und bereits am 16.11. nach
Südamerika. Das Abenteuer „Eiswüste“ beginnt dann am 22.11. mit der Überfahrt
der Drake Passage. Keine andere Meerespassage ist gefährlicher als diese.
Schaut doch mal bei Youtube Videos an; mir ist schon beim Zuschauen schlecht
geworden… Aber: wie sagte meine Oma immer: Erst mal Holz zu Kohlen brennen!
Die Trainingswoche im Überblick:
Die letzte harte Trainingswoche verlief sehr gut. Am Montag konnte
ich bei einem grossen Check-Up am Institut für Kreislaufforschung der Deutschen
Sporthochschule Köln nochmals gute Werte verzeichnen. Mein Herz schlägt besser
als bei der Testung im Januar und auch die Laktatschwellen haben sich
angehoben. Ich könnte somit einen regulären Marathon locker in 2:55 rennen. Warten
wir es ab. Meine maximale Sauerstoffaufnahme ist auf 64 (ml/kgKG/min) gestiegen.
Der Normalbereich für mein Alter liegt zwischen 25-46. Somit bin ich rein
körperlich auf einem sehr, sehr hohen Niveau.
Mit diesen guten Resultaten im Hinterkopf konnte ich dann am
Dienstag beim Fernsehinterview locker und leicht mit dem Moderator plaudern.
Und es hat auch echt viel Spass gemacht.
Am Mittwoch ging es mit einer Kundin auf einen Long Jog über
30km und im weiteren Verlauf nochmals mit drei weiteren Kunden auf die
Laufrunde, so dass ich an dem Tag auf gute 45 km kam. Donnerstags zog es mich
wieder zum Lej Alv zur Finnenbahn. Dort oben trainiert es sich einfach so
locker und leicht, obwohl ich gegen ca. 700 Höhenmeter anzukämpfen habe. Aber
auch den steilen Anstieg über die schwarze Skipiste bis Corviglia laufe ich mittlerweile
unter 60 Minuten. Auf der Finnenbahn absolvierte ich dann ein schönes
Intervalltraining: 6x5 Minuten mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von
168. Obwohl der Boden sehr sumpfig war, sprintete ich wie Speedy Gonzales über
die Holzspäne.
Freitag ging es auf eine Runde durch das Val Roseg und ich
musste immer wieder stehenblieben, um die bunten Lärchen zu fotografieren. Die
Farben sind einfach fantastisch im Moment. Auf dem Rückweg ging es dann noch
ins Hallenbad, um 1.5km zu schwimmen. Das war einfacher gesagt, als getan, da
aufgrund des schlechten Wetters auch noch ca. 100 Kinder auf diese Idee kamen.
Diese hatten zum Glück grösstenteils nur das Aussenbecken in Beschlag genommen,
so dass ich nur hin und wieder grossen Gummitieren ausweichen musste.
Der Samstag stand dann wieder ganz Zeichen des Long Jogs. Da
mir ja mittlerweile die Ideen für Strecken ausgegangen sind, war ich heilfroh,
dass ich in Running-Rabbit-Velo-Vorfahrer- Silvio einen kreativen Coach gefunden hatte. Auch für diesen Samstag hatte
er sich eine tolle Route ausgedacht, die in etwa 40km ergeben sollte. Er warnte mich allerdings
vor, dass es einige Höhenmeter zu bewältigen geben würde. Das war mir egal; ich
freute mich auf meinen letzten langen Lauf vor den neuen Wüstenabenteuern in
der Sahara und Antarktis. Wir starteten bei kühlen Temperaturen um die Nullgrad
in Lavin im Unterengadin und klapperten alle Dörfer bis nach Scoul ab. Silvio
schaute immer wieder besorgt auf die gegenüberliegende Talseite und erzählte
von den Strapazen, die er bei seiner letzten Biketour auf dieser Strecke erlebt
hatte. Ich wagte gar nicht daran zu denken und konzentrierte mich auf meinen
Rhythmus. Von der Landschaft bekam ich gar nicht so viel mit, aber kleinere Krisen
kamen und gingen. Und mir flog plötzlich ein Lied ins Ohr, welches ich leise
vor mich hinsummte (siehe unten)..
Es ging dann durch Scoul rauf nach Tarasp und dann wurde der
Weg immer steiler. Die Waldpassage liess Silvio mich dann alleine laufen, da er
mit dem Bike Vorsprung brauchte. So schleppte ich mich dann über Almwiesen auf
einen kleinen Trampelpfad in einen dichten Wald aus Moos und Wurzeln und kam
mir vor wie „Ronja Räubertochter“. Und wo wir gerade schon bei Märchen und
Zauberern sind: auch ich hatte in meinem Rucksack neben den üblichen Tüten mit
Reis, Zucker, Kaffee, Tomaten in der Dose, noch ein kleines Fläschchen gepackt.
„BOOSTER“ von Winforce. Ein Getränk, welches man nur zur kurzeitigen
Leistungssteigerung einsetzen sollte und was nicht weniger als 160mg Koffein
enthält auf 35ml! Die Geschmacksrichtung „Cola-Zitrone“ klang noch
vielversprechend. Ich öffnete das kleine Fläschchen und setzte zu einem grossen
Schluck an, welcher mir dann innert Sekunden ins Blut schoss und gleichzeitig
einen fiesen, brennenden Geschmack zurückliess. Flammen sprangen aus meiner
Kehle und den Kühen auf der Weide stockte der Atem. Teufelszeug, dachte ich und
schüttelte mich einmal kräftig. „Wollen die mich vergiften?!“ Was danach aber geschah
möchte ich in etwa so beschreiben: Die Strecke: Senkrechte Waldpassagen,
rutschige Wurzeln. Ich: 8kg schwerer Rucksack auf dem Buckel, keine Stöcke, 300
Höhenmeter bergauf und ca. 500m Wegstrecke. Zustand: TOPFIT! Meine Beine
schnurrten wie ein Schweizer Uhrwerk und in einem rasanten Tempo traf ich mit
einem Lachen auf dem Gesicht Silvio am vereinbarten Treffpunkt wieder. Ich gab
ihm sogleich etwas von diesem Zaubertrank und er quittierte den ersten Schluck
mit: „Das schmeckt wie Schnaps!“
Egal, es hat gewirkt! Nach diesem Aufstieg ging es dann nochmals auf
ca. 15km auf und ab und der Booster wirkte immer noch. Ich werde für alle Fälle
ein kleines Fläschchen mit in die Wüsten nehmen…
Nach genau 41km kamen wir am Ausgangsort wieder an und ich
erfrischte mit einem Winforce Proteinshake. Ihr wollt noch wissen, wie lange
wir gebraucht haben? 4:45. Ziemlich lange, oder? Wenn man bedenkt, dass wir total
2500 Höhenmeter gemacht haben… ist es dann auch noch lang? Ich würde sagen, die
Generalprobe ist gelungen. Sahara, ich komme!
Mein Musiktipp:
Lake Silvaplan |
Runningbunny Silvio mit meinem Rucksack als Probe. |
Lärchentraum im Val Roseg |
Der senkrechte Waldweg |
... mit BOOSTER kein Problem! |
Regeneration Part 1 |
Regeneration Part 2: Muskelentspannungsbad von SOGLIO und... |
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