Und dann geht es zum Wettkampf.
Und hier berichte ich und beschreibe das letzte Race bei der
Weltmeisterschaft im Ultratrailrunning in Portgual am vergangenen Samstag. Der
Start ist um 5 Uhr, was bedeutet, dass das Frühstück um 3 Uhr stattfindet. Zum
Glück teile ich mir mit Simone das Zimmer, sonst wäre ich glatt eine Stunde zu
spät aufgestanden. Ich hatte meinen Wecker auf 3:30 gestellt, anstatt auf 2:30!
Huijujuiuhu! Das wäre lustig geworden!
Das Aufstehen gelingt trotzdem sehr gut, obwohl die Nacht
alles andere als ruhig war. Zum Frühstück gibt es leckere Hefeteig-Schnecken
mit Honig und Kaffee. Ich sitze mit dem deutschen Team an einem Tisch und die
Aufregung steigt mit jedem Schluck Koffein. Mit dem stark verspäteten Bus
fahren wir ca. 45km bis zur Startlinie und haben gerade noch 15 Minuten Zeit,
bis es losgeht. Und dann gehen die Stirnlampen an und die über 280 Athletinnen
und Athleten rennen los. Für die kommenden 2h45min ist es stockfinster und nur
die Kopflampen weisen uns den Weg. Ich komme ganz gut rein ins Rennen und
merke, wie die Maschine recht schnell startet. Ich lasse mich aber nicht
sonderlich hetzen und rausche im mittleren Tempo im hinteren Mittelfeld mit.
Für manche Läufer ist das technische Gelände reinstes Neuland und immer wieder
muss ich in den Bergabpassagen abbremsen, da die Kolonne ins Stocken gerät. Als
wir dann einen ziemlich tiefen Fluss überqueren müssen, welcher nur über
wenige, spitze und aalglatte Steine zu passieren ist, hätte ich fast einen
Abflug gemacht. Ich bin dicht hinter einer Läuferin, die grosse Schwierigkeiten
hat und auf einem Stein mitten im Fluss stehenbleibt und nicht vor und nicht
zurück kann. Dummerweise stehe ich mit ihr auf diesem Stein und bleibe erst mal
still, um sie nicht nervös zu machen. Nach einer gefühlten Ewigkeit reicht es
mir langsam und ich ermutige sie, doch einfach zu gehen. Dabei gerät sie ins
Straucheln und greift nach meinem Arm! Himmel! Ich halte sie gerade noch so
fest , bis sie das Gleichgewicht wieder gefunden hat, um es im nächsten Moment
direkt wieder zu verlieren. Blitzschnell reisse ich mich von ihr los und gebe
ihr einen kleinen Schwung nach vorne, so dass sie zum nächsten Stein und somit
in „Sicherheit“ springen muss. Das hätte auch echt übel ausgehen können. Weiter
geht’s! Als die Sonne später aufgeht gibt das einfach nochmal zusätzliche
Energie. Ich laufe und freue mich, dass ich mitmachen darf! Nach 30km treffe
ich am 2. Verpflegungsposten ein und kurz nach mir kommen auch Ildiko und
Claudia an. Beide sehen recht frisch aus und ich muntere uns auf: Lets rock it,
girls! Währenddessen werde ich von
unserem super Betreuerteam mit allem Notwendigen versorgt und Dodo haut uns
allen nochmal eine extra Portion Iso rein! Es geht weiter, aber irgendwas ist
anders. Der erste lange Anstieg erweist sich als mühsam. Langsam macht sich
auch die Hitze bemerkbar. Ich finde keinen Rhythmus und bin furchtbar langsam.
Die Sonne brennt, es ist heiss und der nächste Verpflegungsposten ist noch gute
10km und 800hm entfernt. Ich glaube, ich verdurste und erste Krämpfe in den
Beinen machen sich bemerkbar. Gitti zieht zu mir auf und wir laufen eine Weile
zusammen, bis wir endlich den Verpflegungsposten erreichen. Ich schütte mir das
Wasser und Iso ohne Ende rein und merke gar nicht, dass es meinen Durst stillt.
Ich fühle mich sehr erschöpft. Aber, das Iso und der Zucker wirken und neue
Kräfte lassen sich mobilisieren. Ein langer Abstieg über eine Forststrasse
folgt, aber mit vollem Wasserbauch lässt die sich nicht sonderlich schnell
laufen. Und dann machen sich die Krämpfe im Magen oder Darm oder Zwerchfell
oder sonst wo bemerkbar und ich muss das Tempo verlangsamen und Gitti ziehen
lassen. Ich hoffe, dass die Krämpfe sich mit der Zeit bessern, aber leider ist
das Gegenteil der Fall. Ich kämpfe und leide und habe viel Zeit über meine
Misere nachzudenken, was nicht gerade dazu beiträgt, dass es mir besser geht.
Ich schleppe mich von einem Kilometer zum nächsten und trinke bei jedem
Verpflegungsposten grosse Mengen Wasser, Iso und Cola, doch nichts hilft. Es
ist zum Heulen. Klar, ich kann aufgeben, aber bei einer Weltmeisterschaft gibt
man nicht so einfach auf, oder? Beim letzten langen Anstieg treffe ich die
Läuferin wieder, mit der ich fast baden gegangen wäre. In dem weglosen Gelände
kann jeder dort laufen, wo es gut geht, aber sie meint nur zu mir, ob ich ihr
mal aus dem Weg gehen könnte, sie möchte vorbei!? Hä? Ich antworte nur, dass es
hier ja gar keinen Weg gibt und man ja überall laufen kann. Für so was habe ich
nun wirklich keinen Nerv mehr. Erheiternder ist das Wiedersehen mit einer
Britin, die ganz am Anfang übelst auf ihre Knie gestürzt ist und seitdem
Verbände wie Knieschoner trägt. Wir muntern uns gegenseitig auf, indem wir uns
auf ein Bier im Ziel verabreden. Ich würde in diesem Moment alles dafür geben,
dass meine Krämpfe aufhören und ich wieder locker laufen kann, doch meine
Wünsche werden nicht erhört. Beim letzten Verpflegungsposten will ich einfach
aufgeben, doch Maja und Dodo reden mir gut zu, massieren meinen Bauch und
schicken mich auf die letzten 15km bis zum Ziel. Hügel über Hügel laufe ich
immer weiter und irgendwann bin ich da. Ich biege ein auf die lange Zielgerade.
Die Zuschauer applaudieren, doch selbst darüber kann ich mich nicht mehr
freuen. Nach über 12 Stunden erreiche ich das Ziel und habe alle meine
persönlichen Ziele verfehlt.
Nun beginnt die Post-Race- Phase und die ist mitunter noch
anstrengender, als das Rennen. In der Zielverpflegung langen mir gerade einmal
ein paar Kartoffelchips und etwas Cola. Mehr schaffe ich nicht, obwohl ich
weiss, dass diese Phase zur besseren Regeneration ganz essentiell ist. Wenn der
Körper von aussen schnell protein,- und kohlenhydratreiche Kost bekommt, dauert
die Wiederherstellungsphase nicht so lange und man ist schneller wieder frisch.
Ich gehe derweil erstmal duschen und danach fühle ich mich schon ein bisschen
normaler. Obwohl ich aufpassen muss, dass ich keine „Post-Race-Krämpfe“
bekomme. Das ist etwas ganz fieses und kommt meiner Meinung nach durch einen
defizitären Wasser,- und Elektrolythaushalt. Schon bei den kleinsten Bewegungen
krampft die Muskulatur und das tut sehr weh. Im Anschluss gönne ich meinen Beinen
noch eine Massage und die Masseure kneten und trommeln, was das Zeug hält. Irgenwann
bin ich zurück im Hotel und treffe alle anderen zum Abendessen, was nach so
einer Anstrengung nicht üppig ausfällt. Der Körper muss ist viel zu erschöpft,
als dass er grosse Mengen an Nahrung aufnehmen könnte. Als ich mich endlich auf
meinem Bett ausstrecken kann, krampft sich hier und da nochmals ein Muskel
zusammen, aber ich bin sehr froh, dass alles nun vorbei ist. Und dann tauchen
sie auch wieder auf, die Gedanken und Ideen für neue Wettkämpfe. Das ist schon
sehr speziell, wo ich doch 5 Stunden vorher noch felsenfest davon überzeugt
war, dass das definitiv mein letzter Wettkampf war. Aber es gibt da einfach
noch so viel zu entdecken...
Eine Weltmeisterschaft hat wohl ihre eigenen Bedingungen. Mit dem Damenteam sind wir 7. geworden und die Herren haben es sensationell auf den 3. Rang geschafft! Superstars!
Jetzt steht die Erholung im Vordergrund mit viel Schlaf, trinken, essen und ausruhen. Um dann am 25.11. wieder durchzustarten: der nächste Vulkan steht an! Mehr dazu in Kürze!
In diesem Sinne: Krisen kommen und Krisen gehen auch wieder.
Mein Musiktipp: https://www.youtube.com/watch?v=NLtilFMXZ8Y
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