Seitdem ich aus der
Atacamawüste zurück bin, habe ich neun Wochen intensiv trainiert.
Zusammengefasst sind das ca. 1124km, die ich in dieser Zeit gerannt bin. Es ist
also kein Wunder, dass ich mir in dieser Phase zwei Paar neue Laufschuhe
gekauft habe.
Ab dieser Woche
beginnt nun die Taperingphase, sprich, der Laufumfang wird drastisch reduziert.
Der Sinn und Zweck dieser Erholungsphase liegt darin, dass der Körper alle Speicher
wieder optimal auffüllen kann. Zudem kann sich auch der Geist von den Strapazen
des intensiven Trainings erholen und sich auf den bald folgenden Wettkampf
einstellen.
Erholung ist auch
immer wieder das Thema, über welches gerne diskutiert wird. Viele vergessen,
dass sich die Speicher in der Trainingseinheit entleeren. Energie wird
verbraucht. Ob man nun um den See joggt oder auf der 400-Meter-Bahn schnelle
Intervalle rennt. Bei jeder muskulären Bewegung verbrennt der Organismus
Zucker. Unser Hirn verbraucht übrigens mit 20% die meiste Energie! Nach der
Trainingseinheit beginnt die Phase der Regeneration. Der Körper versucht nun,
das Energiedefizit auszugleichen und die Speicher wieder aufzufüllen. Wird
dieser Phase eine bedeutende Beachtung geschenkt und ist der nächste Trainingsreiz
optimal gelegt, kann es zur sogenannten „Superkompensation“ kommen:
In der
Regenerationsphase nach dem Training werden durch verschieden Prozesse die
verlorengegangenen Substanzen ersetzt (anabole Phase): es kommt zu einem
Wiederanstieg über das
Ausgangsniveau hinaus, aber nur, wenn die Pausenlänge ausreichend gewesen ist. Es
müssen Trainingsreisze in optimaler Folge und Intensität gesetzt werden, damit
die sportliche Leistungsfähigkeit kontuiierlich ansteigt.
Hierzu
möchte ich nun einen kleinen Exkurs einschlagen und mit euch auf eine Reise in
die Steinzeit machen, als wir noch in Höhlen wohnten und unser Essen nicht im
Supermarkt kaufen konnten, sondern es im Wald jagen mussten: Unsere
Vorfahren legten am Tag ca. 30km zurück.
Das entspricht etwa einer Strecke von St. Moritz bis ins Val Fex zum Hotel
Sonne und wieder zurück. Auf diesen 30km war der Jäger natürlich nicht zum
Spass unterwegs. Er musste dafür sorgen, dass er ein Tier fängt, um zu
überleben. Dabei wurde er auf der einen Seite
durch einen guten muskulären Körper und durch ein ausgeklügeltes Hormonsystem
unterstützt. Unser Hormonsystem ist ein komplexes Konstrukt von verschiedensten
Abläufen, die für die Funktion der Organe, aber auch für unsere Gefühle
verantwortlich sind. Unser Steinzeitmensch erlebt auf der Jagd also auch eine
hormonelle Achterbahnfahrt.
Gehen wir also auf Jagd: Der Jäger nimmt mit seinen wachsamen Augen ein Tier wahr. Dies bedeutet nun: Futter! Überleben! Und im Körper fährt ein
autonomes System ab. Adrenalin wird in grossen Mengen ausgeschüttet und
bewirkt, dass mehr Blut in den Organismus gepumpt wird. Die Pupillen weiten sich und die Nackenhaare stellen sich auf. Der Jäger ist hochkonzentriert,
fokussiert und auf alles gefasst. Er sprintet nun auf das Tier los und seine
geschickten Bewegungen bringen ihm den Erfolg. Nach getaner Arbeit muss der
Körper sich nun erholen. Ansonsten hätte der Jäger ja auch gar keine Zeit, das
erlegte Tier zu verspeisen. Die Erholung wird nun auch vom autonomen Nervensystem gesteuert.
Dieses Mal sorgt der sogenannte Gegenspieler dafür, dass die Produktion
des Adrenalins eingestellt wird und sich
der Organismus beruhigen kann.Alles fährt auf Entspannung, so dass die Speicher wieder aufgefüllt werden können.
Auch wir als Neuzeitmenschen erfahren täglich Situationen,
in denen das Hormonsystem u.a. Adrenalin ausgeschüttet. Wir müssen zwar nicht mehr
jagen gehen, um zu überleben, aber unser System läuft in Stresssituationen noch genau gleich ab. Wenn wir uns stark konzentrieren müssen, sorgt das
Adrenalin für perfekte Leistung. Die Reaktionen sind genau die, die auch unser
Steinzeitmensch erfahren hat: Blutdruckanstieg, Erweiterung der Pupillen und
Bereitstellung von Zucker für viel und schnelle Energie. Der Unterschied ist aber oftmals der, dass der Neuzeitmensch kein
Verhältnis mehr kennt zwischen Anspannung und Entspannung. Ein Beispiel: Im
Beruf muss ein neues Projekt bearbeitet werden. Die Abgabefrist rückt immer
näher. Wir arbeiten rund um die Uhr. Immer wieder müssen wir geistig auf neue Dinge reagieren. Die höchste Konzentration
ist gefragt. Und dies ist nur möglich, da viel Adrenalin im Körper zirkuliert. An Erholung oder an eine Pause wird nicht gedacht. Lieber nehmen
wir die Arbeit mit nach Hause. Dies verursacht weiteren Stress, da die Familie
oder das Freizeitleben darunter leidet. Es fehlt der Ausgleich, da das System sich erholen muss, um leistungsfähig zu bleiben. Daher gibt
es ja den Spieler, der das System anregt und den Gegenspieler, der das System
beruhigt. Durch den ständigen Stress nimmt allmählich die Leistungsfähigkeit ab.
Zudem kommen oftmals Symptome wie Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und Appetitlosigkeit.
Von ehemals 100% Leistungsfähigkeit ist nur noch 70-80 % verfügbar. Im neudeutschen Sprachgebrauch nennt man dieses Phänomen neuerdings „Burn Out“.
Ich als Sportwissenschaftlerin würde sagen: wir sind übertrainiert! Denn wer
ständig trainiert, immer weiter rennt, die Kilometerzahl von Woche zu Woche
steigert, ohne seinem Körper die notwendige Ruhe zu gönnen, der baut an
Leistung ab (siehe Superkompensation). Denn der Körper verliert im Training,
(oder bei der Arbeit) Energie, die Speicher entleeren sich! Und wann kann man die
Speicher wieder auffüllen? In der Pause, in der Regenerationsphase. Unser Steinzeitmensch
hat es richtig gemacht: Er ist auf die Jagd gegangen, hat sich bewegt und
hat dann pausiert. Er hat sein System so im natürlichen Gleichgewicht gehalten.
Fazit: Bewegung und Pause sollten sich regelmässig abwechseln. Lieber eine Pause mehr, als ein Training zu viel!
Meine Trainingswoche:
Der Montag stand wieder im Zeichen meiner Kunden und einer
guten und letzten Sitzung mit meiner Mentaltrainerin Elisabeth. Am Dienstag bin
ich dann zweimal auf den Hahnensee rauf und wieder runter. Mit vollem Gepäck.
400 Höhenmeter rauf, dann wieder runter und wieder rauf und wieder runter.
Toll. Am Mittwoch zog es mich auf meine „alte“ 40km Strecke ins Val Fex. Alles
war grün und die Alpacas standen friedlich auf der Wiese. Donnerstag
einen lockeren 12km Lauf und am Freitag kam dann mein Ultralauffreundin Gabi zu
Besuch. Wir umrundeten den Silvaplanasee im guten Tempo. Kurz vor der
Zielgeraden hakte ich mich dann nochmal mit der Fussspitze an einem Kieselstein
ein, strauchelte und kam wenige Meter später mit einem Bauchplatscher zum
Stillstand. Hätten wir auch das wieder einmal erledigt. Die Reflexe
funktionieren super! Samstag ging es dann wieder einmal von St. Moritz nach
Zernez. Ja, zu Fuss! Die Strecke war dieses Mal schneefrei und gar nicht mehr
so lang. Vielleicht lag es auch an der Unterhaltung mit Gabi, dass die Zeit
schneller verging. Retour ging es mit dem Bähnli. Und am Sonntag ging es in
einem lockeren Fahrtspiel für 90 Minuten durch die Engadiner Wälder. Ein schöne
Woche. Total: Ca. 150km.
Mein Musiktipp, der unter die Haut geht: Unkle "Lonely soul"
Alpacas |
Via Engiadina |
Flugplatzpiste Bever |
Irgendwo zwischen Brail und Zernez |
Gabi |
In Zernez |
Belohnung! |