Sonntag, 18. Mai 2014

Der Berg, das Ungeheuer

Berg und Tal kommen einfach nicht zusammen (wohl aber die Menschen). Zwischen Berg und Tal liegt der Aufstieg und der scheint manchmal  unüberwindbar. Zum Berg heraufschauen, all seine Schönheit aus dem sicheren Tal entdecken, mit dem Feldstecher einen Weg absuchen und sich vorstellen, wie es oben ist: atemberaubend, luftig, leicht und sorgenfrei. Doch um diesen Gefühlszustand zu erleben, muss vorher die Distanz dazwischen bewältigt werden. Der Weg zwischen Tal und Berg als Herausforderung. Denn es geht nicht darum, im Tal zu sein oder auf dem Berg zu stehen. Der Weg dazwischen zeigt auf, wo man ist, wer man ist, und wie viel Power in den Beinen steckt. Ich würde behaupten, dass jeder die Power hat, einen Berg zu besteigen. Aber viel entscheidender ist die Einstellung im Kopf. Überwiegt die Freude, oben auf dem Berg zu stehen, die Aussicht zu geniessen, sich auf die Schulter zu klopfen und stolz zu sein oder übertrifft diese Freude eine Sorge gepaart mit Zweifeln, ob der Weg bis auf den Gipfel zu schaffen ist.

An manchen Tagen ruft der Berg zu mir und ich laufe los ohne viel nachzudenken. Die Steigung nehme ich nicht wahr und mein schneller Atmen ist Zeichen eines gut laufenden Motors, der kraftvoll und effektiv arbeitet. Die Höhenmeter fliegen an mir vorbei, jeder Tritt ist locker, frei und lösgelöst. Auf dem Gipfel erwartet mich ein Gefühl der tiefen Verbundenheit und ein Gefühl der Stimmigkeit. Mit tiefen Atemzügen will ich die Schönheit der Umgebung aufsauen und mein Glücksgefühl somit für immer konservieren. Ich höre die Stille der Natur deutlich und spüre sie mit jeder Faser. Beim Bergablaufen hüpfen die Füsse von einem Stein auf den anderen, als ob es einen unsichtbaren Pfad geben würde. Mein Pfad, der mir positiv entgegenlacht.

Aber der Berg kann mich auch anders rufen. Aus dem Engel wird ein Teufel und der einst so schöne leichte Weg gleicht der Hölle. Meine Gedanken eilen permanent voraus und vom Tal will ich ohne Umweg sofort auf den Gipfel. Ich vergesse diesen Wegabschnitt, dieses besondere Kernstück, ohne das es keinen Gipfel und auch kein Tal geben würde. Der Weg zwischen Tal und Berg ist an diesem Tag aber einfach unglaublich steil und fühlt sich unüberwindbar an. Ich kämpfe mich Schritt für Schritt nach vorne und komme dem Ungeheuer Berg näher. Es frisst mich an diesem Tag auf, ich greife an, streite mich, kämpfe falle erschöpft auf halber Strecke in den Steilhang. Und bleibe dort einfach sitzen. Ich muss nicht zu atmen kommen; ich muss einfach nur meine Gedanken beruhigen, die wie von der Tarantel gestochen im Zickzack umherspringen. Zweifel, Sorge, Angst? Aber wovor? Was kann mich auf dem Weg zwischen Tal und Berg denn ereilen, was kann mir schon passieren? Meine Gedanken, die mir meilenweit voraus waren, kommen langsam zu mir ins Hier und Jetzt zurückgekrochen und setzen sich neben mich ins stachelige Gras. Und es ist plötzlich still. Meine Gedanken und ich sitzen alle da oben auf dem Steilhang und dann passiert es: wir fangen plötzlich an zu lachen.- Ohne weitere Erklärung und Analyse ist die Krise vorbei. Meine Gefühle haben den starken Kopf einfach ausgeschaltet und ich setze mich wieder in Bewegung. Es läuft wieder, langsam, sicher, verhalten, mit neuer Zuversicht. Der Kopf ist verunsichert, da er in dem Moment einfach mal nichts zu melden hat.
Gedanken können beflügeln, aber sie können auch zu einem Höllentrip werden. Innehalten, und das Hier und Jetzt "anrufen". Denn eins ist sicher: der Moment, so schlimm er sich gedanklich auch anfühlt, geht gefühlsmäßig auch wieder vorüber.

Meine Woche in Bergen:
Corviglia, Muottas Muragl, Corviglia und Muottas Muragl zusammen, 400m Bahn (auch ein Berg...) und Ortler in Südtirol.

Mein Musiktipp: Delilahs "Queen"
https://www.youtube.com/watch?v=X9SjMAbQ-9s
Am Gipfel...





On the way to the peak

Auf der Suche nach dem Weg zum Ortler: die Strapazis

On the Top of Ortler 3904m mit Basti

Mouttas Muragl...
Juniausgabe der aktuellen Women`s Health auf Seite 38-39


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