In Oberstdorf ist der Startort und dort treffe ich neben Tim
auch noch Maggy Martini und Rainer Jahn, die das zweite Team für UVU-Racing in
der Master-Mixed- Kategorie stellen. Die Stimmung ist ausgelassen und ein
Scherz nach dem anderen macht die Runde. Zudem treffen wir auch noch den Big Boss
der UVU-Family, Gerhard Flatz, der uns nochmals kräftig einheizt und uns an das
Motto von UVU erinnert: Immer nur du gegen dich- You versus You! Ok, alles
klar. Dann kann es ja losgehen. Doch ich merke, dass mir meine Gedanken einen
Strich durch die Rechnung machen und sich einfach keine Freude einstellen will.
Die Nervosität ist anders als sonst und ich mache mir ernsthafte Sorgen, ob das
alles überhaupt Sinn macht.
Nach einer schlaflosen Nacht und einer ungewohnten
Nervosität (ok, nervös bin ich immer, aber dieses Mal war es eine passive
Nervosität) sehe ich mich am Start stehen umringt von hunderten Läuferinnen und
Läufern, die alle diesen Wahnsinns-Blick im Gesicht haben, da sie wissen, dass
das, was in den nächsten acht Tagen passieren wird, einfach der Wahnsinn ist!
Nur bei mir legen sich die Sorgenfalten auf die Stirn. Ich rede mir positiv zu
und motiviere mich. Als der Startschuss endlich erfolgt, fühle ich mich wie im
Alptraum. Meine Beine rennen zwar, doch es kommt keine Energie durch den Körper.
Schon auf den ersten zwei Kilometern fange ich an zu keuchen, zu schnaufen,
Tränen laufen mir über das Gesicht. Ich will aufhören, will aussteigen, habe
plötzlich überhaupt kein Selbstvertrauen und Reserven mehr. Ich spreche mit Tim
und teile ihm mit, wie es mir geht. Er reagiert gelassen und souverän wie ein
alter Psychologe mit Schwerpunkt Hysterie. Das Motto ist „Was geht, das geht,
und wenn es nicht geht, dann geht es nicht!“ So einfach fast Psychologe in spe
Sigmund Tim Freud die Situation zusammen. Ich schleife mich den ersten Anstieg
hoch, werde von allen überholt, habe das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen
und spüre null Energie in meinem Körper. Wie soll ich das acht Tage
durchstehen? Die Landschaften fliegen an mir vorbei, ich nehme alles wie durch
eine Wolkendecke wahr. Denke nur daran, wie es sich anfühlt, wenn ich im Ziel
bin. Ist es das, was mich antreibt, weiterzumachen?
Mit der Hoffnung, dass die nächsten Tage besser werden,
starte ich in die zweite Etappe. Mühsam und schwer wie blei reiht sich ein
Schritt an den nächsten. Erst als es etwas technischer wird, wache ich auf und
nehme mich wahr. Beim Downhill kommen alte Stärken zurück, ich werde
zuversichtlicher. Ist es das, was mich antreibt, weiterzumachen?
Die kommenden Tage werden leider nicht besser, eher
schlechter. Ich knicke mehrfach um, doch die Bänder halten es aus. Ich fluche
vor mich hin, bekomme die Energie nicht in die Beine, sie steckt fest zwischen
Herz und Hirn. Wenn der Kopf leer ist, gibt es keine Ausreden mehr. Dann gibt
es keinen Reserveschirm, den man öffnen kann. Keine Kompensationsmechanismen.
Ich gehe in Gedanken die letzten Wochen durch:
die Bilder des Speed Run auf den Kilimanjaro, dieses unglaubliche
Abenteuer, welches mir soviel neue Kraft und Energie gegeben hat, rauschen an
mir vorbei. Die zwei Wochen danach, wo ich auf einer Welle des puren Glücks
gesurft bin. Dass sich mein Körper holen würde, was er braucht, war mir klar.
Nur dass es gerade zum Zeitpunkt des TAR kommen müsste, war äußerst ungünstig.
Wenn die Balance zwischen Anspannung und Erholung nicht mehr stimmt, wenn ein
System überfordert ist, kann man keine Höchstleistung erbringen. An der Grenze
des Machbaren lote ich also aus, wozu mein Körper noch in der Lage ist. Die
Beine laufen, der Kopf ist leer, stehenbleiben kann ich nicht, da ich nun
einmal losgelaufen bin. Wir werden in der Mixed Kategorie den 5. Platz belegen.
Einmal mehr wird mir klar, wie unwichtig die Platzierung ist. Viel wichtiger
ist, dass Körper und Geist eine Einheit bilden. Nur dann kann ich meine Leistung gepaart mit Spass und Freude abrufen.
Mein Fazit aus den acht Tagen Alpenüberquerung: „Nur eine entspannte Athletin ist eine gute Athletin.“
Mein großer Dank geht an meinen super Teamkollegen Tim
Wortmann und an die beiden UVU Panther Maggy und Rainer- ein besseres Team
konnte ich mir nicht vorstellen. Ich danke unserem Sponsor Viking für die
Möglichkeit, beim TAR zu starten und UVU für die unsagbar unschlagbare
Bekleidung. Oat King hat mich mit wertvollen Proteinen versorgt. Mit den Julbo
Brillen konnte ich meine Augen gut schützen und blasenfreies Laufen Dank
Compressport-Socken! MEGA!
Mein Musiktipp:
Wow - wieder mal ein klasse Bericht! Auch wenn ich vielleicht lieber eine Erfolgsstory gelesen hätte, so beeindruckt dieser mal wieder mit Offenheit und Reflexivität. Respekt! "Einmal mehr wird mir klar, wie unwichtig die Platzierung ist. Viel wichtiger ist, dass Körper und Geist eine Einheit bilden." Wie wahr...
AntwortenLöschenErhol Dich (auf allen Ebenen) und dann voller Spaß und Energie auf zu den nächsten Abenteuern und Erfolgen...