Montag, 13. Juni 2016

Alibaba und die 7 Berge - 280km durch das Atlasgebirge

Atlasgebirge? Wo liegt das? Schnell mal den Atlas rauskramen und nachschauen... Natürlich! In Marokko! Nix wie hin!
Mit dem UVU -Team geht es los und Maggy, Tim, Rainer und ich sind startklar. In Marrakesh treffen wir noch alte UVU-Freunde und freuen uns, dass Jean-Paul aus Holland auch am Start ist. Der Lauf wird von Wüstenlegende Mohamad Ahansal organisiert, der auch für unser sensationelles Team am Start ist. Von Marrakesh geht es in Kleinbussen erstmal ca. 7 Stunden quer durchs Land, um dann in dem kleinen Bergdorf Zaouiat Ahansal anzukommen und um das Quartier zu beziehen. Es sind in diesem Jahr über 50 Teilnehmer am Start und die halbe Weltkugel der Nationen ist vertreten. 17 Frauen stehen am ersten Tag an der Startlinie und das ist für einen solchen technisch schweren Ultratrail doch beeindruckend! Zur Opening-Zeremonie gibt es einheimischen Tanz und Gesang und alle bringen sich in Stimmung. Zu diesem Zeitpunkt weiss noch keiner, was uns noch erwarten soll... Der Startschuss fällt für die erste Etappe mit 47km und 2256hm. Schon auf den ersten Metern habe ich einen Schatten hinter mir, der mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Ich laufe mein Tempo, doch ist es ungewohnt, dass mich jemand so verfolgt. Es ist Aziza, eine marokkanische Läuferin, die den Lauf schon 3x gewonnen hat und beim Marathon des Sables in diesem Jahr sensationelle 5. geworden ist. Nun ja, denke ich, mal schauen, was das wird mit uns beiden... Es geht weg von der Strasse und der Trail führt durch ein holpriges Flussbett. Auweia, das hatte ich gar nicht erwartet, dass das hier so technisch anspruchsvoll wird. Nach dem langen Winter sind meine Füsse noch gar nicht bereit, so schnell und so technisch zu arbeiten. Ich muss das Tempo etwas beruhigen, doch mein Schatten macht ordentlich Druck hinter mir. Ich komme überhaupt nicht in meinen Rhythmus und stolpere durch die Gegend, als hätte ich Rollschuhe an den Füssen. Ich komme mir neben Aziza vor wie ein Nilpferd. Oder wie ein Trampeltier. Sie hat ungefähr die Hälfte von mir und fliegt die Berge nur so rauf... Naja!
Der Weg ist auch nur schlecht markiert, oder vielleicht sehe ich die roten Sprühmarkierungen nicht, weil ich mich so gehetzt fühle. Als ich abermals vom Weg abkomme und mich in einem Gestrüpp verheddere, zieht Aziza davon. Ohjee, meine Gedanken kreisen um alles, aber nicht um das Rennen. Ich fühle mich nicht wirklich bereit und fange an zu zweifeln, ob ich diesem Wettkampf schon gewachsen bin. Doch die innere Stimme sagt mir auch, dass die 1. Etappe bisher immer die schlimmste war und so beisse ich mich weiter durch. Ich werde nach einiger Zeit von Gerald aufgepickt, und fortan machen wir ein gemeinsames Spiel. In einem grossen Geröllfeld suchen wir uns wie die Pfadfinder den Weg und müssen zwecks Orientierung immer wieder anhalten. Plötzlich taucht eine Gruppe Läufer vor uns auf und von Weitem erkenne ich UVU-Kollege Tim. Zack, eingesammelt und zu dritt geht es weiter über Stock und Stein. Nach einem langem Abstieg, bei dem mich meine rechte Bauchseite wieder mal aufs Übelste mit Stichen gequält hat, kommen wir in eine grüne Oase aus Wiesen und Feldern. Nach ca. 5 Stunden Laufzeit ist die Konzentration nicht mehr die Beste und dann passiert folgendes: Links fliesst ein Wasserlauf, rechts davon ein sehr schmaler Trampelpfad und daneben Terrassen. Ein kleiner Stolperer und ich fliege mit der Flammersfeld`schen Rolle über meine eigenen Füsse, bremse mit beiden Knien und lande eine Terrasse weiter unterhalb in einem fetten Brennesselstrauch. Ich weiss nicht, was mehr brennt, die blutigen Knie oder die Brennnesseln im Gesicht  und an den Armen. Tim ist sofort zur Stelle und versorgt mich mit einem Pflaster, da ich nicht noch mal so ein Dilemma wie in Nepal beim Manaslu Trail Race erleben möchte. Die Szenerie geht dann in etwa so: Ich: "Autsch, ah, oh nein" (Polter, Shredder, Stille, Jammern, Weinen...) . Tim: "Ist alles ok?" Ich: "NEIN, nichts ist ok, ich liege hier unten!" Tim: "Komm, ich helfe dir hoch! Geht es? Ist nicht so schlimm, oder?!" Ich: "Nicht so schlimm?" Tim: "Komm, es geht weiter!" Ich: "Ich brauch ein Pflaster!" Tim: "Ach, das blutet doch gar nicht so schlimm!" Ich: "WAS? DAS BLUTET WIE DIE HÖLLE! PFLASTER!!" Der arme Tim. Mit mir muss man echt was aushalten, wenn ich mal jenseits meiner emotionalen Kontrolle bin. Mit einem Pflaster auf dem Knie, was sich natürlich sofort wieder löst, geht es für die restlichen 15km weiter und ich fluche innerlich über diese miserable Etappe... Zusammen mit Tim und Gerald überqueren wir dann völlig happy die Ziellinie und schütten uns im nächstbesten Kiosk 2 Cola und 3 Fanta in den Hals. Ach, ist das Leben schön!
Die 2. Etappe ist ziemlich strapaziös, aber das hält mich nicht ab, einfach mein Tempo zu laufen. Die negativen Gedanken vom ersten Tag spüle ich einfach runter und laufe mit neuer Energie los. 54km mit 2400hm stehen an, auf gehts! An diesem Tag geht es u.a. ca. 8km bergauf durch ein Flussbett mit rauschendem Wasser. Immer wieder kreuzen wir die Seiten und die Füsse stapfen tapfer durch das kühle Nass. Ein wenig erfrischend ist das ja schon, denke ich und eigentlich macht das auch voll Spass. Ich bin wieder zusammen mit Tim unterwegs, den ich zwischendurch irgendwo aufgegabelt habe. Nach dem Flussbett geht es nochmals 800hm über einen Zickzack-Trail bergauf, um dann auf der anderen Seite eine unglaubliche Aussicht zu geniessen! Ca. 20km vor dem Ziel treffen wir noch Rainer und gemeinsam rollen wir nach 58km ins Ziel. Eine tolle Etappe, ganz nach meinem Geschmack!
Auf der 3. Etappe geht es ähnlich gut los und Tim, Rainer und ich ziehen uns gemeinsam die Berge hoch. Beim ersten Anstieg werden wir von einem heftigen Sturm begleitet, so dass wir Stöcke, Sonnenbrille und Sonnenhüte gut festhalten oder im Rucksack verstauen mussten. Es fühlt sich an, als wenn ich gegen  einen wildgewordenen Ventilator rennen muss und ich sehe mich schon über den Gipfelkamm fliegen. Auf 2600m passieren wir noch den Lake Tamda, den höchstgelegen See des Atlasgebirges. Mir ist die Aussicht ziemlich egal, denn das vorherige Flussbett (ohne Wasser) verlangte von meinen Füssen alles ab. Nach dem See erreichen wir das Death Valley. Weit und breit nichts zu sehen, ausser Steinen und Wüste oder was auch immer. Mein Hirn beginnt und brutscheln und die Sonne brennt. Wie lange noch? Diese Frage ist tödlich, aber wir rennen ja auch durch das Tals des Todes, also kann ich auch eine solche Frage gen Himmel rufen. Immer wieder hauen wir mit den Füssen gegen Steine, rufen laute Schimpfwörter, bleiben aber nicht stehen. Der Weg liegt ja vor uns, also weiter. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir endlich das Ziel und wie immer ist es die eiskalte Cola, die alle negativen Gedanken runterspült...
Wir kommen zur 4. Etappe, die mit 30km und 1534hm die kürzeste Strapaze werden wird. Beim Start bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich freuen soll, heute mal "nur" 30km rennen zu dürfen, oder ob mich diese 30km vielleicht total umhauen werden. Ich lasse es langsam angehen und finde in meinen Rhythmus. Es läuft, super. Die Steigungen meistere ich problemlos und auch Aziza ist schon wieder über weite Berge. Dieser marokkanische Bergfloh kennt einfach die Strecken und ist zudem auch noch super schnell! Der Downhill zum Camp ist dieses Mal besonders schön und auch technisch nochmals anspruchsvoll. Mohamad hat sich da wirklich tolle Etappen ausgedacht!
Bei der 5. Etappe geht es anfangs erstmal fast 18km und 1000hm bergab. Es ist ein Gerenne, als wenn Alibaba hinter uns her ist. Das gehört halt auch dazu. Ich renne heute von Anfang an alleine und finde meinen Rhythmus recht schnell. Es geht durch Dörfer, Flussbetten, Trails, Strassen - es ist einfach alles dabei. Kurz bevor es zur ersten grossen Flussquerung geht, schliessen Tim und Rainer auf. Ich komme mit diesem Rhythmuswechsel überhaupt nicht klar und gerade, als ich durch das anfangs noch flache Bettbett springen will, gerate ich ins Straucheln. Von Flussbett ist auch keine Rede mehr. An dieser Stelle wird das Wasser von Bauarbeitern gestaut und mein nächster Schritt sinkt ganz weit tief nach unten und ich merke, wie der Schlamm sich wie eine Schlingpflanze um mein Sprunggelenk schlingt. Ohjee, ich stecke fest! Hilfe! Warum hilft mir denn keiner! Leicht in Panik rufe ich den Jungs zu und Tim kommt sofort angesprungen. Mit einem grossen Ruck zieht er mich nach vorne, so dass ich fast noch komplett im Wasser lande! Aber zum Glück geht es nochmal gut und ich stapfe weiter voran. An einem kleinen Damm rutsche ich wieder ab und frage lauthals an zu fluchen. Irgendwie bin ich ziemlich unkontrolliert, was meine Bewegungen und Zorn angeht. Nachdem ich wieder auf sicherem Boden bin, rufe ich dem Bauarbeiter noch ein "Sorry" entgegen. Keine Ahnung, was der sich gedacht hat...
Es geht weiter. Rainer ist schon wieder über alle sieben Berge und Tim macht heute schlapp. Wie sich später herausstellt, hatte ihn ein 24h Magenvirus erwischt, so dass der Tag alles andere als schön für ihn war. Ich derweil muss mich ziemlich zusammenreißen, da die Strecke immer so eine Mischung aus flach und leicht steigend ist. Walken oder doch joggen? Immer wieder wechsle ich die Technik und bin weiterhin ziemlich unausgeglichen. "Pull yourself together" rufe ich mir selber zu und reisse mich zusammen. Der Weg führt über einsame Hochplateaus und ich habe keine Ahnung, wo ich bin und wie die Strecke weitergeht. Ich renne über Wiesen, Steine und durch Felder und die Zirpen im Gras "feuern" mich lauthals an (so stelle ich es mir zumindest vor!). Auf der rechten Bergseite tauchen plötzlich 4 Wildpferde auf und ein Tiefschwarzes schaut mich unentwegt an. Ich versuche diese Energie der Pferde aufzusaugen und stelle mir vor, wie ich mit wehender Mähne locker über die  Steppen galoppiere. Ich bin absolut alleine auf weiter Flur und bin mir manchmal gar nicht sicher, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Ich laufe einfach weiter und erreiche den höchsten Punkt der Etappe. Von nun an geht es nochmals ca 1000hm auf einem schmalen Zickzack-Weg bergab. Vollste Konzentration ist gefordert. Als ich endlich zur Hängebrücke komme, weiss ich, dass ich es geschafft habe. Rainer wartet im Ziel und zum Glück ist auch ein Kiosk mit eiskalter Cola direkt um die Ecke. Maggy kommt ca. 30 Minuten nach mir ins Ziel und Tim ca. 90 Minuten. Was für ein Tag.
6. Etappe: Die heutige Etappe ist Basti gewidmet. Er war ja bei der ersten Austragung 2013 schon mit dabei und hat mit UVU als Hauptsponsor den Lauf organisiert. Vor dem Start gab es eine Schweigeminute, in der auch an Mark gedacht wurde (ein Fotograf, der bei den letzten beiden Austragungen dabei war und 2015 an einem Herzinfarkt ums Leben gekommen ist). Maggy, Rainer, Tim, Jean Paul und ich wollen die Strecke zusammen laufen und alles nochmals so richtig geniessen. Leider muss Tim unsere Gruppe recht schnell verlassen, da sein Körper einfach zu geschwächt hat. Wir 4 rennen also weiter und schon bald kommt der längste Anstieg mit ca. 1300hm vertikal bis auf 3200m. Wir schrauben uns den Berg hoch und auf der anderen Seite mit Sturm und Gegenwind wieder runter. Im weiteren Verlauf lassen wir das Tempo ein bisschen schleifen, so dass die anderen aufholen können. Doch keiner rechnet damit, dass wir den letzten Downhill mit ca. 600hm in der Direttissima runtershreddern. Wie von einem Schwarm Hornissen verfolgt, stürmen wir einfach senkrecht durch den Pinienwald, komme was wolle. Die Spaziergänger springen kreischend zur Seite und hinter uns gibt es nur noch eine einzigartige Staubwolke. Gerald schliesst auf und ruft uns nur zu, ob der Teufel hinter uns her sei! Es ist nicht der Teufel, es ist einfach nur das Andenken an Basti, der solche Downhills immer so gelaufen ist.... Maggy`s Stock bricht noch durch, ich knicke um; ein Lachkrampf nach dem anderen plagt mich und ich muss mich zwingen, die Konzentration aufrecht zu halten, um nicht wie ein Schneeball die Piste runter zu kugeln..... Wir rasen weiter im Affentempo durch das Dorf Imlil und die Touristen klatschen und feuern uns an! Endlich! Endlich erreich wir zusammen die Ziellinie und freuen uns wie Alibaba und seine 7 Reiter!
Aziza hat das Rennen gewonnen und ich werde Zweite. Ein sehr schöner Erfolg. Aber was zählt schon die Platzierung, wenn man einfach rundherum ein gutes Rennen mit tollen Freunden hatte...
Vielen Dank an UVU RACING, Oat King, Julbo, Compressport.
www.transatlasmarathon.com
Cool And The Gang! 
Unglaubliche Landschaft... 

Nur vereinzelte Vegetation,... 

oder einsame Läuferinnen... 

Eine Oase im Grünen! 

Cola! Ich brauche mehr Cola!! 
Noch mehr Durst! Es ist aber auch staubig! 
Vorher nachher! 


Gemeinsames Dinner mit allen. 

Price giving with Aziza! 

UVU NEW STYLE!!!



Donnerstag, 9. Juni 2016

Trans Atlas Marathon- 280km durch das Hohe Atlas Gebirge

Vom 20.-30. Mai habe ich beim Trans Atlas Marathon in Marokko mitgemacht. Nach 280km und 14000hm gibt es einiges zu berichten. Ich bin fleißig am tippen und der Bericht kommt nächste Woche! www.transatlasmarathon.com
Stay tuned!!